EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat betont, sie würde eine Zusammenarbeit mit China bei der Untersuchung des Pandemie-Ursprungs begrüßen. Quelle: picture alliance/Photoshot
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Europa sortiert in der Corona-Krise seine Beziehungen zu China neu

Top-Thema: Europa sortiert in der Corona-Krise seine Beziehungen zu China neu

Angesichts der Corona-Pandemie deutet sich unter europäischen Regierungen ein Umdenken im Umgang mit China an. Länder, die von dem Covid-19-Ausbruch stark betroffen sind, fordern inzwischen von China, mehr Verantwortung zu übernehmen. Andere machen sich für einen härteren gemeinsamen Kurs gegenüber der Volksrepublik stark. In Großbritannien haben die regierenden Tories eine China-Forschungsgruppe etabliert, die künftig bei der Gestaltung der politischen Strategie gegenüber China unterstützen soll. In Italien wollen Regionalpolitiker der rechtspopulistischen Lega-Partei in der von der Pandemie schwer getroffenen Lombardei Entschädigung von China fordern.

Diese harsche Rhetorik gegenüber China, die sich oft vor allem an das einheimische Publikum richtet, findet nicht überall in Europa Zustimmung. Auf Distanz gehen viele hierzulande auch zu dem aggressiven Kurs von US-Präsident Donald Trump, der ohne klare Beweise weiter seine Theorie verbreitet, das Virus wäre aus einem Labor in Wuhan entwichen. Auch in der EU mehren sich allerdings Forderungen – unter anderem aus Deutschland und Schweden – nach einer unabhängigen Untersuchung des Pandemie-Ursprungs. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat betont, sie würde eine Zusammenarbeit mit China begrüßen. Ob die Regierung in Beijing sich darauf einlässt, ist offen.

Statt einen gemeinsamen Kurs einzuschlagen, verfolgen die europäischen Staaten somit derzeit unterschiedliche Ansätze. Für alle gilt: Die einstige Unbefangenheit im Umgang mit China ist einem größeren Realismus gewichen. Sie werden die Beziehungen zu China verändern. Doch für europäische Staaten bleibt China auch ein wichtiger Partner in der Wirtschaft und für die Bewältigung globaler Probleme, zum Beispiel die Entwicklung eines Corona-Impfstoffes.

Europa hat im Verhältnis zu China weiterhin Schwachstellen, wie auch die Berichte über einen angeblich auf Druck chinesischer Vertreter im Ton abgeschwächten Bericht über Beijings Desinformationspolitik im Zusammenhang mit der Pandemie andeuten. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell musste den Europäischen Auswärtigen Dienst EEAS ausdrücklich gegen diese Vorwürfe in Schutz nehmen.

MERICS-Analyse: „Die Covid-19-Krise hat in Europa die Skepsis gegenüber der chinesischen Regierung wachsen lassen. Doch manche Akteure beharren auch inmitten der Pandemie darauf, vor allem positive Urteile über Beijing zu verbreiten. In Italien und Serbien beispielsweise haben euroskeptische, populistische Entscheidungsträger auf nationaler Ebene eigene politische Ziele im Blick, wenn sie Chinas Umgang mit Covid-19 und seine Großzügigkeit loben und sich mit Kritik und Forderungen nach Transparenz zurückhalten.” Lucrezia Poggetti, Expertin für EU-China-Beziehungen

MERICS hat mit dem Europäischen Thinktank-Netzwerk zu China eine Studie über Covid-19 und die EU-chinesischen Beziehungen publiziert. Mehr erfahren Sie hier.

Weiterführende Analyse: Rasmussen Global: China-EU - Living up to the ten actions?

Medienberichte und Quellen:

METRIX

Auf dieser Seehöhe liegt das Lager auf dem Mount Everest, in dem China Mobile zwei 5G Stationen errichten möchte. Das Mobilnetz soll dadurch bis hinauf zum Gipfel des höchsten Bergs der Erde reichen. Gemeinsam mit Huawei hat der Netzbetreiber bereits 5G-Stationen in 5300 und 5800 Metern Seehöhe gebaut. Medienberichten zufolge liegen die Kosten für jede der Einheiten bei einer Million RMB (140.000 USD), das ist fünf Mal mehr als bei gewöhnlichen Anlagen. (Quelle: RCWireless)

US-Regierung heizt Diskussion über Chinas Verantwortung für Pandemie an

Die Fakten: Offenkundig in dem Bemühen, von eigenem Versagen im Kampf gegen die Corona-Pandemie abzulenken, richten US-Präsident Donald Trump und andere ranghohe Regierungsvertreter anhaltende scharfe Kritik gegen China. Die US-Regierung und ihre Anhänger sehen nach eigenen Angaben überwältigende Beweise für ihre These, dass das Virus aus einem Labor in Wuhan stammt. Westlichen Medienberichten zufolge wurden US-Geheimdienste unter Druck gesetzt, Beweise für das angebliche Entweichen des gefährlichen Erregers aus dem Labor vorzulegen. Medizin- und Geheimdienstexperten bezweifeln dies, die WHO sprach von „Spekulation“. 

Der Blick nach vorn: In Chinas parteistaatlichen Medien haben Kommentatoren die schwachen Beweise und die innenpolitischen Motive der US-Regierung harsch kritisiert. In den USA ist eine Mäßigung des Tons nicht in Sicht: Anhänger Trumps haben Parolen wie „China tötet unsere Leute“ in ihre Wahlkampagne aufgenommen. Geheimdienstvertreter bemühen sich indes, eine Eskalation zu vermeiden, indem sie die Bedeutung einer an die Öffentlichkeit lancierten Analyse zur „Labortheorie“ relativierten.

MERICS-Experte John Lee: „Das Thema wird im US-Präsidentschaftswahlkampf weiter instrumentalisiert werden und die US-chinesischen Beziehungen schwer belasten. Andere Regierungen könnten zur Deeskalation beitragen, indem sie einseitige Schuldzuweisungen zurückweisen und sich für eine unabhängige Untersuchung des Ursprungs der Pandemie stark machen. Leider lehnt China dies bislang durchweg ab.“

Lesen Sie auch unsere Blogserie zu „Chinas Kampf gegen die Corona-Krise“.

Medienberichte und Quellen

Video zum „Tag der Jugend“ am 4. Mai sorgt für Kontroversen

Die Fakten: Chinas Jugend ist nicht durchweg einverstanden mit den offiziellen Darstellungen ihrer Situation, wie eine Kontroverse um ein zum Tag der Jugend am 4. Mai veröffentlichtes Video gezeigt hat. Parteistaatliche Medien publizierten zum Gedenktag an die “anti-imperialistische”, seinerzeit von jungen Chinesen getragene Vierte-Mai-Bewegung auf der Plattform Bilibili ein Video mit dem bekannten Schauspieler He Bing. „Ich blicke voller Neid auf Euch“, sagt der 52-Jährige darin. „Ihr habt heute ein Recht, nach dem wir uns nur sehnen konnten: das Recht zu wählen.“ Die Jugend von heute profitiere von „vielfältigerer Kultur, Ästhetik und Werten“, sagte er. Das Video wurde häufig geteilt und sorgte für erhitzte Diskussionen unter jungen Nutzern.

Der Blick nach vorn: Die Debatten in den sozialen Medien zeigen, dass viele junge Chinesen dieses optimistische Bild nicht teilen. Auf der Social Media Plattform WeChat geteilte Kommentare kritisierten, das Video ignoriere den Druck, dem junge Menschen bei der Arbeit und in der Großstadt ausgesetzt seien, ihre Sorgen um die Zukunft und auch die Probleme durch Internetzensur. Ob die Regierung in Beijing diese kritischen Äußerungen zur Kenntnis nimmt, ist nicht bekannt. In jedem Fall deuten sie auf eine Diskrepanz zwischen offiziellen Erwartungen an die Jugend – nämlich patriotisch zu sein und Verantwortung für ihr Land zu übernehmen – und deren eigentlichen Wünschen.

Medienberichte und Quellen:

Chinesische Tech-Firmen blicken wegen US-Exportkontrollen nach Europa

Die Fakten: Technologieunternehmen aus China setzen auf europäische Partner, um von den USA eingeführte Exportbeschränkungen aufzufangen. So arbeitet Berichten zufolge der Telekommunikationskonzern Huawei mit dem französisch-italienischen Chiphersteller STMicroelectronics an der Entwicklung von Chips für mobile Geräte und Fahrzeuge. Über diese Partnerschaft habe Huawei auch weiter Zugang zu Chipentwicklungs-Software aus den USA.

Der Blick nach vorn: Das US-Handelsministerium arbeitet unterdessen an neuen Regeln, die den Export von sensiblen Technologien an militärische Endnutzer verbieten. Weitere Einschränkungen dürften folgen. Es ist ungewiss, ob Huawei und andere chinesische Unternehmen dann noch durch Kooperationen mit europäischen Partnern die Beschränkungen dauerhaft umgehen können. Unter anderem sollen europäische Unternehmen, die US-Entwicklungssoftware oder -Komponenten nutzen, keine chinesischen Technologiefirmen mehr beliefern dürfen.

MERICS-Analyse: Für Huawei kann die Zusammenarbeit mit europäischen Chip-Herstellern allenfalls eine Übergangslösung sein. Auf lange Sicht muss das Unternehmen selbst Chips entwickeln und produzieren oder auf chinesische Partner zurückgreifen können. Der Prozess ist bereits im Gang: HiSilicon hat seine Chip-Produktion schon von der taiwanischen Fertigungsanlage TSMC zur besten Alternative in China verlegt, die Anlage der Semiconductor Manufacturing International Corp (SMIC).

Mehr zum Thema: Lesen Sie auch den Blogpost von Caroline Meinhardt über Open-Source-Forschungskooperationen zwischen China und Europa.

Medienberichte und Quellen:

GRAFIK DER WOCHE

Die Einkaufsmanagerindizes (PMI) sind im April erneut gesunken, wobei der stärkste Rückgang auf die Exportaufträge des produzierenden Sektors zurückzuführen ist. Nach einer kurzen Phase des Aufschwungs im März fiel der Index beinahe wieder auf das Februarniveau zurück. Aufgrund der schwachen PMI-Zahlen scheint eine deutliche Erholung des Wirtschaftswachstums im zweiten Quartal sehr unwahrscheinlich. 

REVIEW: Tigertail – ein Film von Alan Yang (2020)

Zehntausenden Angehörigen der asiatischen Diaspora ist die Geschichte vertraut: die Herausforderungen, denen sich ihre Vorfahren stellen mussten, als sie sich zur Auswanderung entschieden. Sie nahmen Abschied von Heimat, Familie und Freunden und blickten in eine unsichere, aber hoffnungsfrohe Zukunft. „Tigertail“ verzichtet auf den Pomp von „Crazy Rich Asians“ und große Emotionen wie "Farewell" und leistet so einen wichtigen Beitrag zum florierenden Genre der Hollywood-Blockbuster mit überwiegend asiatischer oder US-asiatischer Besetzung.

Der Film zeigt die Hauptfigur Pin-Jui (Hong-Chi Lee, später Tzi Ma) in zwei sehr unterschiedlichen Phasen seines Lebens: als junger Fabrikarbeiter, der Taiwan für ein besseres Leben in den USA den Rücken kehren will, und als einsamer und verbitterter Rentner, der an seinen fragwürdigen Erfolg zurückdenkt. Eindrucksvolle Darstellungen des Taiwans der 1960er Jahre und die Musik von Yao Su Rong und Otis Redding untermalen die Geschichte, welche die Opfer und den emotionalen Tribut beschreibt, die Migration von einem Ende der Welt an das andere fordern können.

„Tigertail“ wurde am 10. April auf einer US-Streamingplattform veröffentlicht. Also zu einer Zeit, in der die Spannungen zwischen den USA und China weiter zunehmen und Streaming-Angebote wegen der Corona-Krise sehr gefragt sind. Die derzeit weit verbreiteten anti-asiatischen Ressentiments zeigten auf „seltsame, ironische, aber auch perfekte Weise, wie relevant der Film irgendwie auch bedauerlicherweise ist", erklärt Regisseur Alan Yang die positive Resonanz: „Als ich den Trailer [...] twitterte, waren die Reaktionen überwältigend. Es fühlte sich an, als wollten die Leute asiatische Gesichter sehen. Sie wollten einen Film über Zusammengehörigkeit sehen, der Menschen aus Asien zeigt.“

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IM PROFIL: Huang Runqiu - Geologie, nicht Ideologie

Huang Runqiu ist Chinas neuer Minister für Umwelt und Ökologie und ein Symbol dafür, wie ernst Beijing Nachhaltigkeitsthemen zu nehmen scheint. Der 56-jährige Geologe ist erst der dritte Minister seit den späten 1970er Jahren, der nicht Mitglied der Kommunistischen Partei Chinas ist. Das zeigt, dass Beijing für diese Position Expertenwissen ideologischen Kriterien vorzieht.

Huang wurde 1963 in der Provinz Hunan geboren. Er studierte und lehrte an der heutigen Chengdu University of Technology. Später wurde er dort Vizepräsident und Leiter eines großen Geo-Umweltschutzlabors. Parallel dazu verfolgte er eine politische Karriere in der Jiusan Society, die bei Intellektuellen beliebt ist und zu einer der acht großen gesetzlich anerkannten politischen Parteien zählt, die der Richtung der KP folgen.

Huang wurde 2016 zum Vizeminister für Umweltschutz nach Beijing berufen, zwei Jahre später wechselte er als Vizeminister in das neu geschaffene Ministerium für Umwelt und Ökologie (MEE). In dieser Position vertrat er China in den Verhandlungen des neuen globalen Biodiversitätsvertrags, der in diesem Jahr abgeschlossen werden soll. Da Huang kein KPC-Mitglied ist, ist er dem neuen Parteisekretär des MEE und bislang nicht mit Umwelt-Themen betrauten Sun Jinlong untergeordnet.

Medienberichte und Quellen: