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Stadt, Land, Fluss im Blick Beijings: Chinas subnationale Diplomatie in Deutschland

Zentrale Befunde und Schlussfolgerungen

  • Deutschland und China sind auf subnationaler Ebene eng miteinander verflochten. Über die letzten zwei Jahrzehnte ist ein dichtes Netz aus Partnerschaften zwischen chinesischen Provinzen und deutschen Bundesländern und Kommunen entstanden. Das Interesse an China ist groß. Schließlich bietet das Land den deutschen Bundesländern und Kommunen zahlreiche Vorteile, vom kulturellen Austausch und Tourismus bis zum Zugang zu einem großen Wirtschaftsmarkt.
  • Seit dem Amtsantritt von Staats- und Parteichef Xi Jinping ist Chinas subnationale Diplomatie in anderen Ländern im Wandel begriffen. Beijing gestaltet die Partnerschaften zunehmend in seinem Sinne und nutzt die Beziehungen, um größeren Einfluss auszuüben und seine nationalen Ziele zu verfolgen. Dazu gehören wirtschaftliche und strategische Interessen, politischer Einfluss und die Verbreitung chinesischer Diskurspositionen.
  • Zum Vorteil Beijings sind die subnationalen Beziehungen von Asymmetrie geprägt. Das zentralisierte System Chinas stößt auf das dezentrale, föderale System Deutschlands. In Chinas subnationaler Diplomatie ziehen zahlreiche Akteure an einem Strang, während in Deutschland unabhängig voneinander agiert wird. Während deutsche Akteure lokale Interessen verfolgen, verfolgen chinesische Akteure auch staatliche Ziele.
  • Um ihre strategischen Interessen auf subnationaler Ebene umzusetzen, setzen chinesische Akteure eine breite Palette von Instrumenten ein. Diese beinhalten legitime öffentliche Diplomatie (public diplomacy) und Wirtschaftsförderung wie auch stärker subversive Elemente. So werden unter anderem Landesregierungen und Rathäuser unter Druck gesetzt, Delegationsreisen für mögliche Wirtschaftsspionage genutzt und chinesische Studierende für politische Zwecke mobilisiert.
  • Beijing profitiert von Schwachstellen auf Seiten der deutschen Bundesländer und Kommunen. Informationsdefizite, das Konkurrieren um chinesische Investitionen, fehlendes Problembewusstsein und mangelnde China-Kompetenz sowie Koordinierung schwächen deutsche Bundesländer und Kommunen in ihren Beziehungen zu China. Oft betrachten deutsche Akteure Chinas subnationales Engagement nicht in einem strategischen Kontext. Auch mangelt es an Austausch zwischen Kommunen und deutschen Sicherheitsbehörden.
  • Um eigene Interessen besser zu definieren, durchzusetzen und gleichzeitig dem Einfluss Chinas auf subnationaler Ebene zu begegnen, sollten eine Reihe von Empfehlungen umgesetzt werden. Dazu gehören unter anderem:
    • eine verstärkte Forschung zu Chinas subnationaler Diplomatie
    • regelmäßige Abfragen der Landesregierungen zu den subnationalen Beziehungen der Kommunen mit China
    • die Thematisierung der China-Beziehungen in Landesparlamenten und Stadträten
    • eine bessere Koordinierung mit Bezug auf China zwischen föderalen Ebenen und innerhalb landes- und kommunalpolitischer Verwaltungen
    • die Stärkung der China-Kompetenzen von landes- und kommunalpolitischen Akteuren

1. Die subnationalen Beziehungen Zwischen Deutschland und China befinden sich im Wandel

China verfolgt in Deutschland eine aktive subnationale Diplomatie. Über die Jahre ist ein umfassendes Geflecht an deutsch-chinesischen subnationalen Beziehungen entstanden. Chinesische Provinzen und Städte haben ihre Präsenzen in Deutschland stark ausgeweitet. Dies stößt bei Landesregierungen und Kommunen auf großes Interesse. Schließlich bietet China zahlreiche Vorteile, wie Zugang zu einem großen Wirtschaftsmarkt, Kooperation mit führenden chinesischen Tech-Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen sowie einen bedeutsamen Tourismus und bereichernden kulturellen Austausch. Damit fördern die subnationalen Beziehungen auch das gegenseitige Kennenlernen, die Völkerverständigung sowie die internationale Solidarität und globale Zusammenarbeit. China und Deutschland profitieren davon und haben ein Interesse an guten subnationalen Beziehungen.

Seit dem Amtsantritt von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping 2012/13 sind die subnationalen Beziehungen zwischen Deutschland und China allerdings im Wandel begriffen. Unter Xi verfolgt Beijing eine deutlich selbstbewusstere und ambitioniertere Außenpolitik. Das gilt auch für die subnationale Diplomatie. Bei all den Vorteilen subnationaler Beziehungen sollten daher die Risiken nicht übersehen werden. Zu diesen gehören nicht nur Wirtschaftsspionage und Technologieabfluss, sondern auch politische Einflussnahme und Desinformation. Die subnationale Ebene ist für China ein weiterer Kanal zur Durchsetzung strategischer Interessen. Das stellt Bundesländer und Kommunen vor zahlreiche Herausforderungen.

Chinas subnationale Diplomatie in der Bundesrepublik ist bisher unterbeleuchtet. Es gibt wenig Analysen, Recherchen und Untersuchungen zu diesem Themenkomplex. Auch in der öffentlichen Debatte findet das Thema wenig Beachtung.

Der vorliegende MERICS China Monitor beleuchtet die chinesischen Interessen auf der subnationalen Ebene, erfasst unterschiedliche Instrumente chinesischer subnationaler Diplomatie und identifiziert relevante Schwachstellen der landes- und kommunalpolitischen Akteure.

Die Untersuchung stützt sich auf strukturierte Hintergrundgespräche mit mehr als 50 landes- und kommunalpolitischen Akteuren aus sieben Bundesländern, unter anderem mit Vertreter*innen aus Staatskanzleien, Wirtschafts- und Wissenschaftsministerien, Landesvertretungen, Landesparlamenten, kommunalen Wirtschaftsagenturen und Stadtverwaltungen. Teil der Recherche war auch eine Umfrage unter Vertreter*innen von sechs Bundesländern.

1.1    Deutschland und China sind auf subnationaler Ebene eng verflochten

Die Beziehungen zwischen China und Deutschland sind vielfältig und haben über die Jahre auf subnationaler Ebene rasant zugenommen. Alle Bundesländer, mit Ausnahme Mecklenburg-Vorpommerns, unterhalten inzwischen eine Partnerschaft mit einer chinesischen Provinz. Es gibt zahlreiche Städtepartnerschaften, und rund 115 deutsche Kommunen pflegen Beziehungen zu China (siehe Annex 1).1 Darüber hinaus bestehen verschiedene deutsch-chinesische Gesellschaften und Freundschaftsgruppen, enge Wirtschaftsbeziehungen und mehr als 1400 deutsch-chinesische Hochschulkooperationen.2
 
Die Entwicklung der deutsch-chinesischen subnationalen Beziehungen lässt sich in drei Phasen einteilen (siehe Abbildung 1):

  • Phase 1 (1980er Jahre): Vor dem Hintergrund der Reform- und Öffnungspolitik unter Deng Xiaoping wurden die ersten Länder- und Städtepartnerschaften etabliert und 1982 ein deutsch-chinesisches Bürgermeisterprogramm eingeführt.3
  • Phase 2 (2000er Jahre): Nach Chinas WTO-Beitritt 2001 wurde die subnationale Diplomatie zwischen Deutschland und China weiter intensiviert.
  • Phase 3 (seit 2012): Seit Xi Jinpings Machtübernahme haben die deutsch-chinesischen subnationalen Beziehungen deutlich mehr Relevanz bekommen. China und Deutschland vereinbarten u.a. eine Urbanisierungspartnerschaft (Mai 2013), welche den Städteaustausch weiter förderte.

1.2    China prägt die subnationalen Beziehungen zunehmend nach seinen Vorstellungen

Seit Xi Jinping in China regiert haben sich die subnationalen Beziehungen zwischen China und Deutschland gewandelt. Ton und Themen haben sich verändert. Der Austausch ist auf chinesischer Seite zentralisierter, selbstbewusster und fordernder geworden, berichten Gesprächspartner*innen der Landes- und Kommunalverwaltungen. China würde hohe Anforderungen stellen und nicht mehr die Interessen der anderen berücksichtigen. Anstatt gemeinsam Projekte zu konzipieren und umzusetzen, gäbe es zunehmend Fälle, in denen chinesische Akteure immer öfter eigene Projekte präsentieren, die deutsche Partner lediglich finanzieren sollen.

Waren der kulturelle und zivilgesellschaftliche Austausch einst ein thematischer Bestandteil, stehen heute wirtschaftliche und politische Themen im Vordergrund. Deutsche Bundesländer und Kommunen erhalten regelmäßig Angebote für Partnerschaften und Kooperationen sowie weitere Anfragen, etwa zu Veranstaltungen zur „Neuen Seidenstraßeninitiative“ (Belt and Road Initiative, BRI), zur Zusammenarbeit bei der Digitalisierung von Städten (Smart Cities) und Besuchen von Delegationen.

Diese neue chinesische subnationale Diplomatie hat in den vergangenen Jahren vor allem Kontakte zu kleineren deutschen Städten ausgebaut. Am größten ist der Zuwachs der Kommunalbeziehungen bei den kreisfreien Städten mit weniger als 100.000 Einwohnern.4

Diese qualitativen und quantitativen Änderungen, hervorgehoben von zahlreichen Gesprächspartner*innen der Landes- und Kommunalverwaltungen, deuten darauf hin, dass China aktiver als in der Vergangenheit versucht die subnationalen Beziehungen stärker in seinem nationalen Interesse zu prägen.

Chinas verstärktes Engagement, neues Auftreten und die Einbindung von Kleinstädten stellen Bundesländer und Kommunen allerdings vor neue Herausforderungen. Sie müssen Beijings Interessen auf subnationaler Ebene erkennen, einordnen und Antworten und Strategien entwickeln.

1.3    Subnationale Diplomatie schafft „asymmetrische Beziehungen“ zu Gunsten Beijings

Das Interesse der Volksrepublik an subnationalen Beziehungen hängt auch mit strukturellen Vorteilen Beijings gegenüber Deutschland zusammen.

Erstens haben chinesische Städte aufgrund ihrer Einwohnerstärke mehr personelle Kapazitäten als ihre deutschen Pendants. Während Frankfurt etwa neun Mitarbeiter*innen für internationale Städtediplomatie beschäftigt, arbeiten für die chinesische Partnerstadt Guangzhou rund 100 Mitarbeiter*innen in dem Bereich. Auch wenn Guangzhou mit 42 Städten mehr Partnerstädte als Frankfurt mit elf betreibt, ergibt sich ein relatives Ungleichgewicht bei den personellen Kapazitäten. Deutsche Kleinstädte, die derzeit den größten Zuwachs an Kooperationen mit China verzeichnen, sind von diesem Ungleichgewicht besonders betroffen.

Zweitens trifft auf der subnationalen Ebene das zentralisierte System Chinas auf das dezentrale, föderale System Deutschlands. Im Gegensatz zu Deutschland wird subnationale Diplomatie in China maßgeblich zentralstaatlich betrieben.5 Die Chinese People's Association for Friendship with Foreign Countries (CPAFFC) ist für die Organisation der internationalen Beziehungen auf lokaler Ebene zuständig. Anders als in Deutschland müssen chinesische Städte die Genehmigung der CPAFFC einholen, bevor sie eine Partnerschaft eingehen. Damit sind chinesische Städte und Provinzen stärker in zentralstaatliche Strukturen eingebunden und können ein weiteres Instrument der Zentralregierung zur Verfolgung außenpolitischer Ziele sein.

Drittens können für Chinas subnationale Diplomatie unterschiedliche chinesische Akteure eingesetzt werden. Dies betrifft chinesische Unternehmen, Kultur- und Bildungseinrichtungen, sowie die Diaspora. In China befinden sich viele Firmen in Staatsbesitz. Auch chinesische Privatunternehmen haben Elemente der Kommunistischen Partei in ihren Organisationsstrukturen, beispielsweise durch unternehmensinterne Parteizellen.

Chinesische Bürger und Organisationen sind zudem gesetzlich verpflichtet, mit den Sicherheitsbehörden zusammenzuarbeiten. Daher besteht immer die Möglichkeit, dass sie gezwungen werden, bestimmte staatliche Interessen zu fördern. Dies sollte nicht zur automatischen Annahme verleiten, dass hinter jedem chinesischen Bürger, Studierenden oder jeder Organisation der chinesische Parteistaat   steckt.   Nichtsdestotrotz   steht dieses System im klaren Gegensatz zur subnationalen Lage in Deutschland, wo Städte, Bundesländer und zahlreiche andere Akteure eher unabhängig voneinander agieren. Während chinesische Städte und Regionen subnationale Diplomatie betreiben, um auch staatliche Interessen durchzusetzen, kümmern sich die deutschen Pendants in erster Linie um ihre eigenen lokalen Anliegen.

2. China verfolgt nationale Interessen auf subnationaler Ebene

Seit Xi Jinpings Amtsübernahme nutzt China die subnationalen Beziehungen mit Deutsch-land verstärkt, um seine eigenen Interessen zu verfolgen.

  • China verfolgt wirtschaftliche und technologische Interessen. China will bis 2035 eine technologische Führungsrolle einnehmen und bis 2049 die weltweite Führung in Wissenschaft und Innovation innehaben. Das Interesse an deutschen Innovationen und Schlüsseltechnologien ist groß. Subnationale Verbindungen bieten der Volksrepublik Möglichkeiten, die wirtschaftliche Präsenz in Deutschland auszubauen und Zugang zu Fachwissen und Technologien zu bekommen. Beijing kann damit technologische Lücken schließen. Das sind legitime Interessen. Gleichzeitig können dadurch langfristige wirtschaftliche Abhängigkeiten von Regionen und Städten von China entstehen, gerade auch von strukturschwachen. Dies könnte wiederum China politische Vorteile bringen.
  • Beijing verteidigt seine politischen Belange und will politischen Einfluss erhöhen. Es gibt Hinweise, dass subnationale Akteure, wie Landesregierungen und Rathäuser, unter Druck gesetzt werden, wenn Beijing seine vermeintlichen Kerninteressen bei sensiblen Themen wie Falun Gong, Hongkong, Taiwan, Tibet oder Xinjiang beeinträchtigt sieht. Es handelt sich hierbei auch um Interessen der Kommunistischen Partei Chinas, die durch Kritiker*innen ihrer Politik ihr Machtmonopol infrage gestellt sieht.
  • Beijing will seine Soft Power stärken. China nutzt die subnationale Diplomatie, um ein positives Bild von sich zu verbreiten, Sympathien zu wecken und die eigene Diskursmacht zu stärken. Xi selbst betont, China müsse die öffentliche Meinung zu Gunsten Beijings beeinflussen. In seiner Rede zum 60. Jahrestag der CPAFFC im Jahr 2014 hob Xi die Bedeutung der Städtediplomatie hervor und betonte die Notwendigkeit, diese Art von subnationalem Austausch zu nutzen, um „Chinas Botschaft zu verbreiten, Chinas Geschichte zu teilen“.6

Es ist selbstverständlich, dass China die subnationale Ebene nutzt, um seine Interessen zu verfolgen. Was China von anderen Ländern allerdings unterscheidet, ist sein zentralistisches System. Dieses ermöglicht Beijing, seine nationalen Interessen deutlich gezielter auf subnationaler Ebene zu verfolgen, als andere Staaten. Zugleich werden, neben legitimen nationalen Interessen wie der Förderung der eigenen Wirtschaft, auch parteistaatliche Interessen verfolgt. Dazu kann auch gehören, kritische Stimmen gegen die Politik der chinesischen Regierung zu unterdrücken.

In diesem Zusammenhang ist es oftmals nicht einfach, zwischen legitimen Aktivitäten wie der Wirtschaftsförderung und subversiven Aktivitäten wie der Spionage zu unterscheiden. Die Grenzen zwischen beiden vermischen sich. So können vordergründig normale Aktivitäten wie beispielsweise Firmenbesuche auch illegitimen Zwecken dienen, etwa der Wirtschaftsspionage.

3. China nutzt eine breite Palette von Instrumenten

Um seine Interessen auf subnationaler Ebene zu fördern, nutzt Beijing unterschiedliche Akteure und Strategien.

1. Instrumente zur Förderung wirtschaftlicher und technologischer Ziele

Mit Übernahmen und Investitionen stärkt China seinen wirtschaftlichen und politischen Einfluss. Über die Jahre haben chinesische Firmen ihre Präsenzen in deutschen Bundesländern und Kommunen ausgebaut. Sie haben dort ihre Europazentralen etabliert, Investitionen getätigt oder deutsche Firmen gekauft. Landeshauptstädte wie Düsseldorf sind mittlerweile bedeutende Standorte chinesischer Firmen in Deutschland. China wendet sich auch mit seiner Initiative „Neue Seidenstraße“ (BRI) an subnationale Akteure. CPAFFC-Präsident, Li Xiaolin, beschreibt in einer Rede, dass Städtepartnerschaften ein „wichtiger Kanal zur Implementierung der BRI“ geworden sind.7 Deutsche Hafenstädte und Schienennetz-Knotenpunkte wie Hamburg, Duisburg oder Leipzig möchten von Chinas Infrastrukturinitiative profitieren.

Intensivere Wirtschaftsbeziehungen bieten viele Vorteile, wie Zugänge zum chinesischen Markt und die Entstehung neuer Arbeitsplätze. Es besteht allerdings auch das Risiko, tatsächliche und imaginierte wirtschaftliche Abhängigkeiten zu China zu schaffen. Eine deutliche Mehrheit der befragten Vertreter*innen aus sechs Landesregierungen vertrat die Meinung, dass ihr Bundesland vom chinesischen Markt abhängig ist (siehe Abbildung 2, Umfrage Nr. 7). Gleichzeitig befanden alle, ihr Bundesland solle die Wirtschaftsbeziehungen zu China weiter ausbauen (siehe Abbildung 2, Umfrage Nr. 8).

Solche Voraussetzungen können politische Vorteile für Beijing schaffen, indem subnationale Akteure sich aus Hoffnung auf weitere chinesische Investitionen oder aus Angst vor dem Verlust bestehender Wirtschaftsbeziehungen nicht zu Themen wie Taiwan oder Tibet äußern. Somit können wirtschaftliche Beziehungen zum Gestaltungsfaktor der politischen werden. In den Vereinigten Staaten wurden bereits einzelne Fälle diesbezüglich wahrgenommen. So warnte ein chinesischer Diplomat in Houston dem Gouverneur von Mississippi mit dem Abzug chinesischer Investitionen für den Fall, dass dieser nach Taiwan reisen
sollte.8

Abbildung 2

Durch Smart-City-Lösungen könnte China Zugang zu sensiblen Daten der Kommunen erhalten. Im Rahmen der „Neuen Seidenstraße“ werben die chinesische Regierung und Technologieunternehmen auch mit Smart-City-Lösungen. Mehrere deutsche Städte nutzen Überwachungskameras und IT-Anwendungen aus China. In Hessen haben die Kommunen Rüsselsheim am Main, Kelsterbach und Raunheim Smart-City-Aufträge an das chinesische Unternehmen ZTE vergeben. Huawei hat Vereinbarungen mit Gelsenkirchen und Duisburg unterzeichnet.

Smart-City-Lösungen beinhalten alles von e-government und Überwachungskameras bis zu Wasserwerken und Verkehrsinfrastruktur. Damit können chinesische Technologieunternehmen möglicherweise nicht nur Zugang zu kritischen Infrastrukturen, sondern auch zu sensiblen Daten der Bürgerinnen und Bürger bekommen. Dies würde ein sicherheitspolitisches Risiko bergen und könnte China u.a. nachrichtendienstliche Vorteile verschaffen.

In Großbritannien hat der Geheimdienst Kommunen vor der Einbindung chinesischer Unternehmen in Smart-City-Projekte gewarnt. Britische Stadtverwaltungen haben daraufhin die geplante Zusammenarbeit mit chinesischen Smart-City Dienstleistern abgesagt.9

Chinesische Firmenbesuche und Werksbesichtigungen bergen das Risiko der Wirtschaftsspionage. Städte und ländliche Regionen erhalten zahlreiche Anfragen von chinesischen Delegationen, die deutsche Unternehmen besuchen möchten. Diesen Anfragen versuchen sie oftmals nachzukommen in der Hoffnung auf chinesische Investitionen und gute Beziehungen. Werks- und Firmenbesichtigungen geben tiefere Einblicke in Unternehmen und Produktionsprozesse. Sie sind zwar auch Bestandteil guter Wirtschaftsbeziehungen und können lokalen Unternehmen neue wirtschaftliche Chancen ermöglichen. Gleichzeitig gehen sie aber mit dem Risiko der Industriespionage einher und können Informationen über Unternehmen übermitteln, die potenziell für Übernahmeversuche genutzt werden können.

Chinesische Akteure setzen deutsche Beratungsfirmen ein, um über die Kommunen mehr Informationen und Kontakte zu Wirtschaftsunternehmen zu erhalten. Die chinesisch-finanzierte „deutsch-chinesische Industriestädteallianz“ zum Beispiel bringt 20 deutsche und 27 chinesische Städte zusammen und organisiert unterschiedliche Veranstaltungen und Austauschformate für deutsche und chinesische Firmen. Kommunale Wirtschaftsagenturen berichten, dass die Vertreter der deutschen Partnerstädte wiederholt gebeten wurden, lokale Firmendaten zu übermitteln, um eine Plattform für den Austausch mit den Unternehmen zu ermöglichen.

Forschungskooperationen mit China bergen Risiken des Technologieabflusses. China ist zahlreiche Forschungsvereinbarungen und Hochschulpartnerschaften eingegangen, um Zugang zu wichtigem Fachwissen und Technologien zu gewinnen. Auch die Kommunalverwaltungen und Landesregierungen spielen hier eine Rolle, da sie diese oftmals mit anbahnen.

Beijing hat zudem Initiativen wie das 1000-Talente-Programm eingerichtet, um internationale Spitzenforscher zu rekrutieren. Laut einem Bericht des Australian Strategic Policy Institute (ASPI) werden offenbar „mehr als 80 Prozent der Programme zur Rekrutierung von Talenten auf subnationaler Ebene durchgeführt“.10

2020 warnte das Präsidium der deutschen Hochschulrektorenkonferenz vor dem wachsenden Einfluss der chinesischen Regierung in der Forschungszusammenarbeit. Chinesische Diplomaten, die für Wissenschaft und Technologie zuständig sind, beraten zugleich chinesische Unternehmen dabei, in welche Firmen sie investieren sollten, um wichtige Technologien für China zu akquirieren.11

3.2 Instrumente zur Förderung politischer Ziele

Wenn  Beijing  seine  nationalen  Kerninteressen  oder  die  Kerninteressen  der  Kommunistischen Partei Chinas (KPC) verletzt sieht, reagieren chinesische Diplomaten vehement. Die Generalkonsulate  und  die  Botschaft  gehen  gezielt  auf  die  Landes-  und  Kommunalebenen zu, um Kritik auszuüben. Einige Beispiele, die im Rahmen unterschiedlicher Hintergrundgespräche aufgeführt wurden, sind:

  • Deutsche Oberbürgermeister*innen, an deren Rathäusern die tibetische Flagge gehisst wurde, erhielten Protestnoten oder wurden zum Gespräch mit dem chinesischen Botschafter gebeten.
  • Landesregierungen und Städte wurden gebeten, chinakritische Proteste zu verhindern.
  • Landesregierungen und Städte wurden gebeten, Taiwan nicht mehr zu diplomatischen Empfängen einzuladen. Chinesische Akteure haben auch Landesmessen, die in landes- und kommunalpolitischer Zuständigkeit liegen, aufgefordert, Teilnehmende aus Taiwan nicht zuzulassen.
  • Es gab Vorfälle, bei denen Landesminister*innen aufgrund chinesischer Kritik, ihre Delegationsreisen geändert haben.
  • Wenn eine deutsche Stadt die Interessen Beijings nicht respektiert, kann das auch Konsequenzen haben, wie etwa in Weimar, wo die Vergabe des Weimarer Menschenrechtspreises an den Uiguren Ilham Tohti 2017 den Abbruch der Hochschulpartnerschaft und Cyberangriffe zur Folge hatte.12

Diese Aktivitäten der chinesischen Druckausübung werden nicht systematisch erfasst und selten thematisiert. In den Vereinigten Staaten wurden ähnliche Fälle beobachtet.13

Beijing  nutzt  deutsche  Beratungsfirmen  und  Meinungsführer*innen  für  politischen Einfluss. Laut Bundesverfassungsschutz bemüht sich Beijing, Meinungsführer*innen aus Wirtschaft und Politik zu gewinnen, um die hiesige politische Lage besser einzuschätzen, Fürsprecher  zu  gewinnen  und  damit  chinesische  Interessen  besser  fördern  zu  können.14 Die zuvor erwähnte „deutsch-chinesische Industriestädteallianz“ wird von einer deutschen Beratungsfirma geleitet, der  rund zwei Dutzend ehemalige Europa-, Bundes- und Landtagsabgeordnete sowie Staatssekretäre und Landesminister angehören.

Mit zahlreichen landes-, kommunal- und parteipolitischen Kontakten haben ehemalige Politiker*innen die Möglichkeit, viele Türen auf subnationaler Ebene für chinesische Akteure zu öffnen. Beispielsweise wurden auch im Rahmen der Industriestädteallianz Masken aus China an Städte wie Wuppertal medienwirksam verteilt.15

Studierende  können  für  Beijings  politische  Zwecke  mobilisiert  werden.  Es  gibt  Hinweise, dass es an deutschen Hochschulen immer häufiger zu politischen Auseinandersetzungen über für die chinesische Führung sensible Themen kommt, zum Beispiel was den Status Taiwans angeht. Professoren berichten, dass chinesische Studierende im Unterricht im  Sinne  der  offiziellen  Positionen  der  KPC  argumentieren  und  fordern,  Taiwan  nicht  als eigenständiges Land zu bezeichnen. Der Verfassungsschutz beobachtet mit Sorge, wie Universitäten und Forschungsinstitute zunehmend chinesischem Druck ausgesetzt sind.16

3.3 Instrumente zur Förderung chinesischer „Soft Power“ und Narrative

Während  der  Coronapandemie  setzte  China  auch  in  Deutschland  auf  „Maskendiplomatie“. Im ersten Jahr der Coronakrise wurden zahlreichen deutschen Kommunen und Landesregierungen  kostenlose  Atemschutzmasken  zur  Verfügung  gestellt. Oftmals  waren  diese Lieferungen mit der Bitte um medienwirksame Auftritte verbunden. Damit wurde eine begrüßenswerte Geste unter anderem auch für die Vermittlung eines positiven China-Bilds instrumentalisiert.

Konfuzius-Institute  sind  relevante  Akteure,  die  das  Potential  haben  Chinas  Regierungspositionen  zu  fördern.  Abhängig  von  ihrer  strukturellen  Aufhängung,  personellen  Besetzung  und  anderen  Rahmenbedingungen  können  die  19  Konfuzius-Institute  in Deutschland auch genutzt werden, um den Einfluss der KPC zu stärken und Sympathisanten-Netzwerke aufzubauen. Laut Bundesverfassungsschutz „sind die chinesischen Konfuzius-Institute bedeutsame Akteure auf dem Feld der Einflussnahme“.17 Bundesbildungsministerin Anja Karliczek hat dementsprechend die Hochschulen aufgefordert, „die Rolle der
Konfuzius-Institute in der deutschen Hochschullandschaft neu zu bewerten“.18

Einige  deutsche  Universitäten  haben  bereits  ihre  Verbindungen  zu  Konfuzius-Instituten eingestellt.  Dies  wiederum  bringt  Landesregierungen  und  Universitäten  in  potenzielle Konflikte.  In  Hintergrundgesprächen  für  diese  Studie  wurde  ein  Fall  beschrieben,  in  dem eine Landesregierung eine Universität bat, die Zusammenarbeit mit dem Konfuzius-Institut nicht einzustellen, da sie negative Folgen für ihre Beziehungen zu China befürchtete.

Die  chinesische  Diaspora  und  Studierende  sollen  auch  „Chinas  Geschichte  erzählen“. Chinesische Communities und Freundschaftsgruppen in Städten und Bundesländern stehen häufig in Kontakt mit den diplomatischen Vertretungen. Es gibt Hinweise, dass diese genutzt werden, um Beijings offizielle Narrative zu verbreiten. So wurden beispielsweise Veranstaltungen  zur  „Neuen  Seidenstraße“  in  chinesischen  Teehäusern  und  Kneipen  organisiert, berichteten Gesprächspartner*innen. In anderen Ländern, wie Finnland, haben chinesische  Diasporaorganisationen  auch  Demonstrationen  organisiert,  zum  Beispiel gegen Hongkonger Demokratieaktivisten.19Auch chinesische Studierende, vor allem die Leiter*innen  der  chinesischen  Studierendenvereinigungen  in  Deutschland,  sind  aufgerufen, ein positives Bild von China zu verbreiten.20

Auch  über  lokale  Medien  versucht  China,  sein  Image  zu  verbessern.  So  wurden  Kooperationen mit der privaten Sendergruppe Deutsches Regionalfernsehen geschlossen, um positive, vorwiegend kulturelle Inhalte zu China zu vermitteln. Kritische Themen werden in diesen Formaten nicht angesprochen.21

4. Schwachstellen auf Landes- und Kommunlapolitischer Ebene Spielen Beijing in die Hände

Dass Staaten die subnationale Diplomatie nutzen, um ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen durchzusetzen, ist nicht neu. Die Frage ist jedoch, ob Deutschland auf Chinas Engagement vorbereitet ist. Eine Reihe von Defiziten auf landes- und kommunalpolitischer Ebene schwächt die Position deutscher Akteure gegenüber China.

Der genaue Umfang der subnationalen Zusammenarbeit mit China ist nicht bekannt. Aufgrund des föderalen Systems und der kommunalen Selbstverwaltung gibt es keine Informations- und Berichtspflichten. Dadurch haben übergeordnete Behörden wie Bundes- und Länderministerien oftmals kein umfassendes und detailliertes Bild der subnationalen Verbindungen zu China. Möglicherweise problematische Partnerschaften können daher nicht thematisiert werden.

Das Ringen der Bundesländer und Kommunen um chinesische Investitionen und Partnerschaften spielt Beijing in die Hände. Der Föderalismus fördert den Wettbewerb zwischen den subnationalen Akteuren. „Wenn wir nicht auf China zugehen, gehen die alle nach Bayern“, berichtete ein Landesbeamter. In der Hoffnung auf positive Wirtschaftsbeziehungen und Forschungskooperation können Landesregierungen und Kommunen allerdings auch den unbeabsichtigten Abfluss von Technologien fördern und wirtschaftliche Abhängigkeiten vertiefen.

Beijing verfolgt eine „Teile und herrsche“-Politik gegenüber subnationalen Akteuren. China weiß das föderale System und Ressortprinzip in Deutschland zu nutzen.22 Anfragen und Ansuchen werden häufig an mehrere Landesministerien und Kommunalvertreter*innen gleichzeitig geschickt. Das Kalkül dahinter dürfte sein, dass im Falle einer Absage eines Ministeriums möglicherweise eine andere Behörde ihre Zusage erteilt. Landesbeamt*innen berichten, dass Ministerien gegeneinander ausgespielt würden.

Es mangelt an einer koordinierten China-Politik. Zahlreiche Akteure wie Landesministerien, Wirtschaftsfördergesellschaften, Hochschulen und Stadtbehörden gehen auf eigene Faust Kooperationen mit China ein. Gesprächspartner*innen berichten von Fällen, in denen Stadtviertel Kooperationen mit chinesischen Pendants verhandeln, ohne die Stadtverwaltung darüber zu informieren, städtische Wirtschaftsreferate ihre Kollegen in den Referaten für Internationales umgehen und direkt mit chinesischen Städten kooperieren, oder Landesminister*innen nach China reisen, ohne Kenntnisnahme anderer Landesminister*innen. Oftmals scheint es den verschiedenen landes- und kommunalpolitischen Akteuren an entsprechenden Gremien und Formaten zum Austausch zu fehlen.

Landes- und kommunalpolitische Akteure sind sich nicht immer der möglichen Probleme der Zusammenarbeit bewusst. Viele Landesministerien und Städte wissen, dass es einen grundsätzlichen Wandel in den Beziehungen mit der Volksrepublik China gegeben hat. In der Umfrage gaben die befragten Landesbeamt*innen an, die Schwierigkeiten mit China lägen vor allem in den Bereichen Marktzugang, Technologietransfer, Wirtschaftsspionage und politischer Druck und Einflussnahme (siehe Abbildung 2, Umfrage Nr. 2). Vereinzelt gibt es aber auch Landesbeamt*innen und Städtevertreter*innen, die nicht mit Chinas Interessen und Strategien sowie den sich daraus ergebenen Risiken vertraut sind.

Der Austausch zwischen deutschen Sicherheitsbehörden und kommunalpolitischen Verantwortlichen ist häufig gering oder nicht vorhanden. Zahlreiche Beamt*innen der Kommunalverwaltung berichten, keinen Kontakt zum Landesverfassungsschutz zu haben. Ein Städtevertreter mit mehr als 20 Jahren China-Verantwortung in der Stadtverwaltung berichtete, dass er nicht ein einziges Mal mit dem Verfassungsschutz in Kontakt war.

Es gibt Bedarf an China-Kompetenz auf subnationaler Ebene. Vor allem Stadtverwaltungen und Landkreise sind oft unsicher, wie sie mit China umgehen sollen. Dies ist vor allem der Fall bei kleineren Städten und Landkreisen. Ein ehemaliger Landesbeamter meint, dass sich viele Kommunen aufgrund mangelnder Expertise von chinesischen Akteuren „über den Tisch ziehen lassen“. Zudem gaben die befragten Landesbeamt*innen in einer Umfrage an, dass ihr Bundesland von weiterer China-Expertise profitieren würde (siehe Abbildung 2, Umfrage Nr. 5). Zwar hat immerhin die Hälfte der Befragten eine Fortbildung zu China angeboten bekommen (siehe Abbildung 2, Umfrage Nr. 6). Darüber hinaus gibt es aber an den Beamtenhochschulen nach Auskunft von Experten keine zielgerichteten Unterrichtsinhalte zum Umgang mit autokratischen Staaten.23

Es fehlt oftmals an einer gemeinsamen Orientierung, zum Beispiel in Form von China- oder Asienstrategien. In der Umfrage antwortete die Mehrheit, ihr Bundesland hätte keine entsprechende Strategie. 33 Prozent gaben an, es gebe eine landespolitische Strategie. Sie sagten aber auf Nachfrage, es handle sich nicht um eine „Strategie auf Papier“, sondern eine grundlegende Orientierung der landespolitischen Interessen gegenüber China
(siehe Abbildung 2, Umfrage Nr. 4)

5. Empfehlungen für eine robustere Aufstellung subnationaler Akteure gegenüber China

China verfolgt auch in anderen Ländern die subnationale Diplomatie, um seine Interessen durchzusetzen. Zahlreiche Länder, wie Australien, Schottland und die Niederlande, haben darauf bereits reagiert. Auch Deutschland muss Antworten auf Chinas diplomatische Offensive auf der subnationalen Ebenen entwickeln und Schwächen beheben. China- Kenntnisse, -Kompetenzen und die Koordinierung auf allen Ebenen müssen ausgebaut werden. Konkret könnten folgende Maßnahmen ergriffen werden:

Eine intensivere Forschung zu subnationaler Diplomatie ist nötig. Ausmaß und Wirkung der Einflussnahme von Drittstaaten, wie China oder auch Russland, auf subnationaler Ebene in Deutschland ist unzureichend erfasst und ausgewertet. Daher sollte mehr in die relevante Forschung investiert werden.

Informationsdefizite auf subnationaler Ebene müssen behoben werden. „Wenn jeder sein eigenes Ding macht, haben wir keine Einsicht, was überhaupt passiert“, formuliert es ein Landesbeamter. Das Lagebild über die unterschiedlichen subnationalen Beziehungen mit China bedarf der Verbesserung. Die schottische Regierung hat ihre Kommunen in einer offiziellen Abfrage gebeten, ihre subnationalen Beziehungen zu China darzustellen. Die niederländische Regierung beauftragte die Vereinigung niederländischer Gemeinden (VNG), die unterschiedlichen subnationalen Beziehungen zu identifizieren. Ähnliche Initiativen könnten von der Bundes- und den Landesregierungen vorangetrieben werden. Ähnlich wie Schottland könnten die Landesregierungen öfter bei Kommunen und Hochschulen Informationen bezüglich deren Beziehungen zu China anfordern.

Um die subnationalen Beziehungen systematischer zu erfassen, könnte auch der Städtetag, ähnlich wie in den Niederlanden, beauftragt werden, eine aktive koordinierende Rolle bei der Registrierung subnationaler Beziehungen zu China einzunehmen. Alternativ könnte geprüft werden, ob es sinnvoll wäre, Informationsstellen in den Landesministerien einzurichten, welche die subnationalen Beziehungen mit ausländischen Staaten regelmäßig überprüfen.

Australien hat wiederum mit einem neuen Gesetz Regionen und Städte dazu verpflichtet, in Zukunft jede Vereinbarung mit ausländischen Staaten zuvor an die Zentralregierung zu melden und diese genehmigen zu lassen. In einer möglichen zukünftigen Föderalismuskommission III, wie sie von mehreren Ministerpräsidenten gefordert wird, könnte auch die außenpolitische Koordination und Zusammenarbeit thematisiert und neujustiert werden.

Die Beziehungen mit China sollten in Landesparlamenten und Stadträten häufiger diskutiert werden. In zahlreichen deutschen Landesparlamenten findet das Thema China bisher wenig Beachtung. Parlamentarische Anfragen und Anhörungen ermöglichen eine öffentliche Debatte zum Umgang mit China auf subnationaler Ebene. Landtagsabgeordnete könnten von ihren Landesregierungen beispielsweise einen jährlichen Bericht zu den Aktivitäten mit ausländischen Staaten fordern.

Auch Europa- und Bundestagsabgeordnete spielen in ihren Wahlkreisen und Parteien eine wichtige Rolle. Sie können sich dafür einsetzen, dass das Thema China in ihren Bundesländern, Heimatstädten und Landesparteien stärker debattiert wird und mehr Aufmerksamkeit bekommt.

Die China-Kompetenz von landes- und kommunalpolitischen Akteuren muss gestärkt werden. Folgende Maßnahmen könnten dazu beitragen:

  • Landes- und kommunalpolitische Beamt*innen sollten mehr Fortbildungen zu China erhalten. Mitarbeiter*innen der Verwaltungsbehörden, die mit internationaler Politik zu tun haben, können von Fortbildungen zu politischer Einflussnahme und spezifisch zu China profitieren. Auch Gespräche mit dem Landesverfassungsschutz sollten in diesen Rahmen stattfinden.
  • Die Beamtenhochschulen sollten ein Unterrichtsfach zum Umgang mit autoritären Staaten und politischer Einflussnahme anbieten. Der nächsten Generation von Beamt*innen sollten die notwendigen Kenntnisse und Strategien vermittelt werden.
  • Der Deutsche Städtetag sollte wieder eine/n Asienbeauftragte/n einstellen. Diese/r   könnte den Austausch zwischen den deutschen Kommunen zu China fördern und Unterstützung anbieten. Die Position ist nach dem Weggang des früheren Asienbeauftragten bis auf weiteres unbesetzt.
  • Etablierung eines China Kompetenz-Netzwerks für Kommunen. Die niederländische Regierung hat ein „China Knowledge Network“ etabliert, das die Kommunal- und Städteverwaltungen in ihren Beziehungen zu China unterstützt. Dabei werden auch ehemalige Diplomaten mit China-Erfahrung eingebunden. Die deutsche Bundesregierung könnte ein solches Netzwerk für Kommunen einrichten und die Expertise ehemaliger Diplomat*innen und Politiker*innen nutzen. Zahlreiche kommunalpolitische Vertreter*innen sind der Meinung, dass eine übergeordnete Beratungsstelle notwendig ist.
  • Ein Handbuch mit bewährten Vorgehensweisen im Umgang könnte als Leitfaden dienen. Das Kompetenznetzwerk sollte zusammen mit Ländern, Kommunen und Dachverbänden ein Handbuch mit Empfehlungen für den Umgang mit chinesischen Partnern in unterschiedlichen Feldern entwickeln. Die schottische Regierung hat einen solchen Leitfaden entwickelt. Dieser beinhaltet unter anderem Fragen, die Kommunalvertreter*innen ihren chinesischen Pendants stellen sollten, bevor sie irgendwelche Verpflichtungen eingehen.

Landesregierungen und Großstädte sollten China-Strategien entwickeln, um ihre Interessen klar zu definieren und mit angemessen Kapazitäten zu verfolgen. So haben die baden-württembergischen Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass sie die „Expertise über Asien im Land verbessern und hierzu die Netzwerke aus Wissenschaft, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur ausbauen“ sowie gemeinsam mit Expert*innen eine Ostasien-Strategie entwickeln werden.24

Die Koordination auf landes- und kommunalpolitischer Ebene muss verbessert werden. Das föderale System bietet viel Raum für Chinas Einfluss- und Interessenspolitik. Eine bessere Koordination kann durch folgende Maßnahmen erreicht werden:

  • Der offene Austausch zu China sollte Teil der Verwaltungskultur werden. China betrifft unterschiedliche Ministerien, Abteilungen und Behörden. Es berührt unterschiedliche Bereiche, von den Wissenschaft- und Bildungsreferaten über den Wirtschafts- und Verkehrsreferaten bis zu den Abteilungen für Protokoll und Internationale Beziehungen. In diesen Rahmen könnten auch Koordinierungsstrukturen, wie Arbeitsgruppen, noch systematischer etabliert und genutzt werden.
  • Landesregierungen können den Austausch zu China fördern. Beispielsweise indem sie Kabinettsabende zu China organisieren, bei denen sich alle Minister*innen zum Thema austauschen können. Der Umgang mit China könnte möglicherweise auch in einer Ministerpräsidentenkonferenz diskutiert werden.
  • Anfragen von China sollten gebündelt, koordiniert und gemeinsam beantwortet werden. Die Hansestadt Hamburg hat beispielsweise vereinbart, dass jede chinesische Anfrage von einer Behörde gesammelt und koordiniert wird, um eine gemeinsame Antwort des Hamburger Senats sicherzustellen und sich nicht auseinanderdividieren zu lassen.
  • Die Bundesregierung könnte den Landesregierungen und Kommunen mehr Handreichungen zu China geben. Landesbeamt*innen sind der Ansicht, dass Handreichungen des Auswärtigen Amtes sehr hilfreich sind, wie etwa die zum Thema Taiwan. Weitere Handreichungen zu Themen wie Hongkong, Xinjiang oder Huawei wurden in Gesprächen für wünschenswert befunden. Generell halten die befragten Landesbeamt*innen eine engere Koordinierung mit der Bundesregierung für hilfreich (siehe Abbildung 2, Umfrage Nr. 3). Die seit einigen Jahren regelmäßigen Runden zwischen den Staatskanzleien und dem Auswärtigen Amt, sowie die zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und den Landeswirtschaftsministerien, werden ebenfalls begrüßt.

Der Austausch zwischen den Sicherheitsbehörden und landes- und kommunalpolitischen Akteuren muss verbessert werden. Zahlreiche kommunalpolitische Gesprächspartner*innen berichteten, dass sie keinen Kontakt zu den Sicherheitsbehörden hätten, sich diesen aber wünschen würden. Bei Veranstaltungen der „Initiative Wirtschaftsschutz“ des Innenministeriums wurde deutlich, dass der Landesverfassungsschutz den kommunalpolitischen Akteuren zur Seite steht, wenn sie gefragt werden. Die für den Landesverfassungsschutz zuständigen Behörden sollten auch auf Kommunen zugehen und Seminare, Trainings und Beratung zum Umgang mit autoritären Staaten anbieten. Auch die Hochschulen sollten engeren Austausch mit dem Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst pflegen.25

Annex

Annex 1
Endnoten

1 | Engagement Global. „Deutsch-chinesische kommunale Partnerschaften.“ https://skew.engagement-global.de/deutsch-chinesische-kommunale-partnerschaften.html. Abgerufen am: 26. Oktober 2021

2 | BMBF Kooperation International. „Überblick zur Kooperation mit Deutschland: China“ https://www.kooperation-international.de/laender/asien/china/zusammenfassung/ueberblick-zur-kooperation-mit-deutschland/. Abgerufen am: 26. Oktober 2021

3 | GIZ. „Deutsch-Chinesische Kooperation zu nachhaltiger Stadtentwicklung.“ https://www.giz.de/de/weltweit/41623.html. Abgerufen am: 26. Oktober 2021

4 | Goette, A. und Qinlan, Gao (2018). Deutsch-Chinesische Kommunalbeziehungen, Bonn: Servicestelle Kommunen in der Einen Welt.

5 | Liu, Tianying and Song, Yao. (2020) „Chinese Paradiplomacy: A Theoretical Review.“ 6. Januar. SAGE Open 10 (1). https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/2158244019899048. Abgerufen am: 26. Oktober 2021

6 | The Chinese People’s Association for Friendship with Foreign Countries (2014). „Speech by H.E. Xi Jinping President of the People’s Republic of China At China International Friendship Conference in Commemoration of The 60th Anniversary of the CPAFFC.“ 15. Mai. https://cpaffc.org.cn/index/news/detail/id/6541/lang/2.html. Abgerufen am: 26. Oktober 2021

7 | China Daily (2019). „Sister city relations promote cooperation.“ 26. April. http://www.chinadaily.com.cn/global/2019-04/26/content_37462677.htm. Abgerufen am: 26. Oktober 2021

8 | Office of the Secretary of State (2020). „The Elements of the China Challenge.“ Dezember. https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/11/20-02832-Elements-of-China-Challenge-508.pdf. Abgerufen am: 26. Oktober 2021

9 | Financial Times (2021). „UK spies warn local authorities over ‘smart city’ tech risks“, 7. Mai. https://www.ft.com/content/46d35d62-0307-41d8-96a8-de9b52bf0ec3. Abgerufen am: 26. Oktober 2021

10 | Joske, Alex (2020). „Turning the spotlight on China’s global effort to recruit scientists.“ 20 August. https://www.aspistrategist.org.au/turning-the-spotlight-on-chinas-global-effort-to-recruit-scientists/. Abgerufen am: 26. Oktober 2021

11 | Fedasiuk, Ryan; Weinstein, Emily; Puglisi, Anna (2021). „China’s Foreign Technology Wish List.” Mai. https://cset.georgetown.edu/publication/chinas-foreign-technology-wish-list/. Abgerufen am: 26. Oktober 2021

12 | Als die Stadt Weimar trotz chinesischer Proteste den uighurischen Aktivisten Ilham Tohti einen Menschenrechtspreis verlieh, kündigte die Tongji-Universität in Shanghai ihren Studierendenaustausch mit der Bauhaus-Universität Weimar.

13 | Office of the Secretary of State (2020). “The Elements of the China Challenge.” Dezember. https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/11/20-02832-Elements-of-China-Challenge-508.pdf. Abgerufen am: 26. Oktober 2021

14 | Bundesverfassungsschutz (2020). „Verfassungsschutzbericht 2020.“ https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/2021/verfassungsschutzbericht-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=6. Abgerufen am: 26. Oktober 2021

15 | Wirtschaftsförderung Wuppertal (2020). „Erste Hilfslieferung aus China eingetroffen“ 02. April. https://www.wf-wuppertal.de/aktuelles/browse/1/article/erste-hilfslieferung-aus-china-eingetroffen/258/. Abgerufen am: 26. Oktober 2021

16 | Feldwisch-Drentrup, Hinnerk (2021). „Einheitsfront im Ausland.“ 5. Oktober. Frankfurter Allgemeine Zeitung. https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/hoersaal/chinas-wissenschaftspolitik-einheitsfront-im-ausland-17569645.html. Abgerufen am: 26. Oktober 2021

17 | Bundesverfassungsschutz (2020). „Verfassungsschutzbericht 2020.“ https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/2021/verfassungsschutzbericht-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=6. Abgerufen am: 03. November 2021

18 | Himmelrath, Armin (2021). „Karliczek fordert Aus für Konfuzius-Institute.“ Spiegel Online, 29. Oktober 2021. https://www.spiegel.de/panorama/bildung/bundesbildungsministerin-anja-karliczek-cdu-fordert-aus-fuer-konfuzius-institute-a-45070371-daef-44fa-924d-b8d81424aaea. Abgerufen am: 03. November 2021

19 | The Diplomat (2020). „China-Finland: Beijing’s ‘Model Relationship’ in Europe?“ https://thediplomat.com/2020/02/china-finland-beijings-model-relationship-in-europe/. Abgerufen am: 22. Oktober 22 2021.

20 | Tatlow, Didi Kirsten. „Das chinesische Streben nach Einfluss: Verdeckt und vor aller Augen“, DGAP, 20. Dezember 2019. https://dgap.org/en/node/33276 - Der Bundesverfassungsschutz weist in seinem Verfassungsschutzbericht ebenfalls darauf hin, dass die KPC auf die chinesische Diaspora und regimetreue Studierende zurückgreift, um ihre Agenda zu fördern.

21 | Brause, Christina; Dowidelt, Annette; Kaiser, Tina; Kalkhoff, Maximilian (2021). „Politiker, Lobbyisten, Influencer: Chinas heimliche Propagandisten“, 15. Juni 2021. Die Welt. https://www.welt.de/politik/plus231814509/Politiker-Lobbyisten-Influencer-Chinas-heimliche-Propagandisten.html. Abgerufen am: 26. Oktober 2021

22 | Das Ressortprinzip besagt, dass Stadtbehörden und Ministerien ihre Geschäftsbereiche selbstständig und unter eigener Verantwortung leiten. In diesen Zusammenhang findet oftmals in bestimmten Bereichen keine Koordinierung zwischen unterschiedlichen Ministerien statt.

23 | Ausführungen von Prof. Günther Schmid, ehemaliger Professor für Internationale Politik an der Beamtenhochschule München/Berlin, bei der Veranstaltung „Initiative Wirtschaftsschutz“ des BMI am 27. Mai 2021

24 | Baden-Wuerttemberg.de (2021). „Jetzt für Morgen. Der Erneuerungsvertrag für Baden-Württemberg“, 11. Mai. https://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/210506_Koalitionsvertrag_2021-2026.pdf. Abgerufen am: 26. Oktober 2021

25 | Himmelrath, Armin (2021). „Karliczek fordert Aus für Konfuzius-Institute.“ Spiegel Online, 29. Oktober 2021. https://www.spiegel.de/panorama/bildung/bundesbildungsministerin-anja-karliczek-cdu-fordert-aus-fuer-konfuzius-institute-a-45070371-daef-44fa-924d-b8d81424aaea. Abgerufen am: 03. November 2021

Danksagung

Der Autor bedankt sich herzlich für die zahlreichen wertvollen Hintergrundgespräche mit landes- und kommunalpolitischen Akteuren, ohne die diese Studie nicht möglich gewesen wäre. Besonderer Dank gebührt auch den MERICS-Kolleg*innen für ihren Rat und ihre Unterstützung. Für etwaige faktische oder analytische Fehler trägt der Autor selbstverständlich die alleinige Verantwortung.

Der Text wurde am 22.02.2022 aktualisiert.

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