Italy’s minister for economic development, Luigi Di Maio, at the Daci temple in Chengdu (September 2018) making preparations for Xi Jinping’s state visit to Italy.
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Xi Jinping in Europa: Italien schließt sich ungeachtet wachsender EU-Kritik Chinas Seidenstraßen-Initiative an

China Update 6/2019

METRIX

Das ist die Summe, die ein anonymer chinesischer Bieter für eine belgische Renntaube zahlte, nachdem er sich zuvor mit einem anderen Taubenbegeisterten Chinesen einen Bieterwettstreit geliefert hatte. Der Tauberich Armando, ehemaliger belgischer und europäischer Champion, ist fünf Jahre alt. Ihm werden ein außergewöhnlicher Richtungssinn und eine bemerkenswerten Flügelstärke nachgesagt, was ihm den Spitznamen “Lewis Hamilton der Tauben“ einbrachte. Der Kaufpreis von 1,25 Mio. Euro übertrifft den bisherigen Rekord von 400.000 Euro, den ein chinesischer Immobilientycoon für eine ebenfalls belgische Taube namens Nadine bezahlt hatte. Armando wird in China keine Rennen mehr fliegen, sondern soll stattdessen mit einer ebenfalls teuer erworbenen Henne für Nachwuchs sorgen.

Thema der Woche

Italien schließt sich ungeachtet wachsender EU-Kritik Chinas Seidenstraßen-Initiative an

In einer entscheidenden Phase der EU-chinesischen Beziehungen wird Chinas Staats- und Parteichef in dieser Woche Italien, Frankreich und Monaco besuchen. Zum Auftakt traf Xi am Donnerstag in Rom ein. Es wird erwartet, dass die italienische Regierung dann ihre Unterschrift unter eine umstrittene Absichtserklärung zur Seidenstraßen-Initiative (Belt and Road Initiative, BRI) leisten wird. Xis wichtigstes außen- und wirtschaftspolitisches Projekt ist in anderen EU-Staaten umstritten. 

Die Europäische Union ringt zurzeit darum, ihre Beziehungen zu China neu zu definieren. Einerseits sorgt Chinas wachsendes politisches und wirtschaftliches Gewicht für Besorgnis, andererseits möchte Brüssel enge Beziehungen zu Beijing aufrechterhalten. In der vergangenen Woche hatte die EU-Kommission den Ton gegenüber China erstmals deutlich verändert und das Land als „systemischen Rivalen“ bezeichnet.

Die italienische Regierung, eine schwierige Koalition der rechten Lega von Vize-Regierungschef Matteo Salvini und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung unter Vize-Regierungschef Luigi Di Maio, sucht hingegen den Schulterschluss mit China: Sie kündigte in der vergangenen Woche an, eine Absichtserklärung – ein Memorandum of Understanding – zur BRI zu unterzeichnen. Italien wäre das erste Mitglied der G7-Gruppe und das erste EU-Gründungsmitglied, das auf diese Weise offiziell Unterstützung für das chinesische Infrastrukturprojekt bekundet. Für China wäre es ein großer diplomatischer Erfolg, wenn sich die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone zu dem Projekt bekennt.

Die Regierung in Rom erhofft sich von dem Schritt eine Erhöhung ihrer Exporte nach China und eine Verbesserung der negativen Handelsbilanz mit China, die derzeit etwa 12,1 Milliarden US-Dollar (10,7 Milliarden Euro) beträgt. Es ist unklar, ob die Absichtserklärung dazu beitragen wird, Italiens wirtschaftliche Beziehungen zu China zu verbessern. Andere europäische Länder wie Frankreich oder Deutschland können auch ohne eine solche Abmachung ausgeglichenere Handelsbilanzen mit China vorweisen. EU-Staaten wie Polen oder andere zentraleuropäische Länder wiederum haben ähnliche Erklärungen unterschrieben, verzeichnen jedoch bislang keine Vorteile oder einen Anstieg chinesischer Investitionen.

Roms Werben um engere politische und wirtschaftliche Beziehungen zu China sorgt bei der italienischen Opposition und auch außerhalb Italiens für Kritik: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron reagierte skeptisch auf die Ankündigung einer Absichtserklärung zur Seidenstraßen-Initiative. Nötig sei ein „koordinierter Ansatz“ im Umgang mit China, so Macron. „Es ist gut, dass China sich an der Entwicklung vieler Länder beteiligt, aber ich glaube an die Prinzipien von Gleichheit und Gegenseitigkeit. Gleichheit bedeutet, die Souveränität von Staaten zu respektieren.“

Die skeptischen Stimmen zur BRI sind immer lauter geworden: In einem gemeinsamen Bericht äußerten sich im vergangenen Jahr die 27 EU-Botschafter in China besorgt, dass von der Initiative nur China und chinesischen Unternehmen profitierten. In der Kritik steht China auch wegen der fehlenden Einhaltung internationaler Transparenzregeln, der Verschuldungsgefahr für Entwicklungsländer sowie daraus resultierender politischer Abhängigkeiten.

Die EU-Kommission hat die Pläne Italiens, die Seidenstraßen-Initiative aktiv zu unterstützen, bislang nicht kommentiert. In der vergangenen Woche veröffentlichte sie allerdings einen Vorschlag für einen Zehn-Punkte-Aktionsplan zur strengeren Kontrolle chinesischer Investitionen in Europa, insbesondere in den Bereichen Technologie, kritische Anlagen und Infrastrukturen. Das Strategiepapier schlägt einen härteren Ton gegenüber China an, das darin als „wirtschaftlicher Wettbewerber im Ringen um technologische Führerschaft“ und als „systemischer Rivale, der alternative Regierungsmodelle vorantreibt,“ bezeichnet wird. Der Aktionsplan soll heute und morgen auf dem EU-Rat beraten werden. Am 9. April steht dann der nächste EU-China-Gipfel an. 

Lucrezia Poggatti, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei MERICS: "Italien will mit einer chinafreundlichen Politik Beijing gefallen in der Hoffnung, wirtschaftliche Vorteile zu erlangen. Die Unterzeichnung der umstrittenen Absichtserklärung zur Seidenstraßen-Initiative ist Teil dieser Politik, diese wird am Ende aber vor allem Italiens Glaubwürdigkeit als verlässlicher EU-Partner beschädigen. Die Regierung in Rom untergräbt die Bemühungen der EU und ihrer größten Mitgliedstaaten, den Umgang mit China besser zu koordinieren."

MERICS Analyse:

China und die Welt

Nach Chinas Veto: Extremist aus Pakistan nicht auf Liste von Terrorverdächtigen

China hat erneut als einziges Land einen Versuch Indiens blockiert, einen islamistischen Extremisten aus Pakistan auf eine Terrorverdächtigen-Liste des UN-Sicherheitsrats setzen zu lassen. Der Anführer der Islamistengruppe Jaish-e-Mohammed (JeM), Massod Azhar, wird in Indien wegen einer Serie von Terrorattentaten gesucht. Unter anderem soll er für einen Selbstmordanschlag mit 40 Toten in der Unruheregion Kaschmir verantwortlich sein. JeM hatte sich zu dem Anschlag bekannt.

 Der Schritt Chinas sorgte in Indien für heftige Proteste: Händler verbrannten chinesische Güter, darunter Laptops, Mobiltelefone und Spielzeug. Sie riefen die indische Regierung auf, die Steuern auf chinesische Importe zu erhöhen.

Seit dem Attentat in Kaschmir sind die Beziehungen zwischen Indien und Pakistan äußerst gespannt: Indien flog Luftangriffe in der umstrittenen Grenzregion zu Pakistan, das mit ähnlichen Angriffen reagierte. Die Spannungen ließen erst nach, als Pakistan einen bei einem Luftkampf abgeschossenen und in Gefangenschaft geratenen indischen Piloten freiließ. Das chinesische Vorgehen im UN-Sicherheitsrat dürfte die Beziehungen zu Indien weiter überschatten. Die Regierung in Neu-Delhi hat wiederholt scharfe Kritik daran geäußert, dass China die Verfolgung von Terrorverdächtigungen erschwert. Chinas Motiv liegt in der engen strategischen Partnerschaft, die es mit Pakistan unterhält. Die Volksrepublik ist auch ein wichtiger Investor in dem muslimischen Land. Der „Wirtschaftskorridor China-Pakistan“ ist zentraler Baustein der Seidenstraßen-Initiative BRI.

Kurz gemeldet

  • Signal an Beijing: Taiwan plant Gespräche mit den USA im September
  • Regionale Sicherheit: Beijing plant “strategische Dienstleistungs- und Logistikbasis” im Südchinesischen Meer  
  • Belt and Road: Kuwait diskutiert gemeinsamen Investitionsfonds mit China im Wert von 10 Mrd. USD

Innenpolitk, Gesellschaft und Medien

China geht mit Weißbuch zu Xinjiang in die Offensive 

China hat sich gegen die Kritik am Umgang mit muslimischen Minderheiten in der nordwestchinesischen Region Xinjiang zur Wehr gesetzt. In einem Weißbuch über Terrorismusbekämpfung und den Schutz von Menschenrechten in Xinjiang verteidigt die chinesische Regierung ihren Ansatz, der von ethnischen Minderheiten verlangt, sich einer sogenannten „Transformation durch Erziehung“ in ,,Berufsbildungs- und Trainingszentren“ zu unterziehen. Das Weißbuch lobt darüber hinaus Chinas Erfolge im Kampf gegen den Terrorismus. Die Behörden hätten seit 2014 fast 13.000 “Terroristen” verhaftet, heißt es dort ohne Angabe weiterer Details. 

Das Weißbuch erschien wenige Tage nachdem der UN-Menschenrechtsausschuss in Genf getagt und sich dabei intensiv mit der Lage in Xinjiang befasst hat. Viele Länder hatten China aufgefordert, unabhängigen Beobachtern Zutritt zu der Region zu gewähren sowie Massenverhaftungen und Einschränkungen der religiösen und kulturellen Freiheiten ein Ende zu setzen. 

Adrian Zenz, einer der international führenden Experten, der die massenweise Internierung in Xinjiang seit Jahren dokumentiert, hatte in Genf neue Studienergebnisse vorgestellt. Demnach werden mehr als 1,5 Millionen Uighuren und Angehörige anderer ethnischer Minderheiten in der Region festgehalten. Er bezeichnete Chinas Vorgehen als „systematische Kampagne mit dem Ziel eines kulturellen Völkermords“. 

Nach der Sitzung des UN-Menschenrechtsausschusses hatte Chinas stellvertretender Außenminister Lu Yuchang gesagt, die „Trainingsprogramme“ in Xinjiang würden schrittweise reduziert, wenn sich die „Lage der Terrorismusbekämpfung“ verbessere. Das Weißbuch und ein  Fünfjahresplan zur Sinisierung der Religion, der im Januar veröffentlicht worden war, deuten jedoch eher darauf hin, dass die engen Kontrollen bestehen bleiben. Das Weißbuch hebt zudem Chinas Bemühungen hervor, die internationale Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung zu stärken sowie Chinas Ansatz als Modell für andere Länder zu präsentieren, vor allem in Zentral- und Südasien.

MERICS Analyse: Adrian Zenz zu Umerziehungslagern in Xinjiang.

Kommunistische Partei führt neue Loyalitätsprüfung für Kader ein

Wer als Kader in der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) befördert werden will, muss sich künftig neuen Prüfungen unterziehen. Wie die parteistaatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, traten am 3. März neue Regeln in Kraft. Diese ersetzen die aus dem Jahr 2014 stammenden Regelungen.

Künftig müssen sich Kader vor einer Beförderung auch einer Prüfung durch die Anti-Korruptionsbehörde unterziehen. Diejenigen, die sich durch schnelle Reaktion und Umsetzung von Entscheidungen auszeichnen, werden vorgezogen. Es gab auch Lockerungen: Im Ausland lebende Angehörige zum Beispiel sind künftig nicht mehr zwingend ein Hinderungsgrund für Beförderungen.

In China gibt es etwa sieben Millionen Spitzenbeamte. Diese sind durch die von Staats- und Parteichef Xi Jinping 2013 gestartete Anti-Korruptionskampagne erheblich unter Druck geraten. Viele Privilegien für Behördenmitarbeiter sind weggefallen, dadurch ist es attraktiver geworden, eine Stelle im Privatsektor anzunehmen. Eine Interviewserie der Nachrichtenagentur Bloomberg gab kürzlich Einblicke in die Perspektivlosigkeit, die viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst in China heute empfinden.

Arbeitsplätze sind Li Keqiang wichtiger als die Umwelt

Ministerpräsident Li Keqiang fordert eine “Schonfrist” für Unternehmen, um  neuen Umweltauflagen gerecht zu werden. Dies kündigte Li in seinem Arbeitsbericht der Regierung vor dem Nationalen Volkskongress an und unterstrich damit die Regierungsdevise „Vorrang für Arbeitsplätze“, die offensichtlich in Zeiten einer schwächelnden Wirtschaft gilt. De facto priorisiert die Regierung damit die Schaffung von Arbeitsplätzen gegenüber dem Schutz der Umwelt und konterkariert eigene Aussagen aus der Vergangenheit.

Vor fünf Jahren hatte der Ministerpräsident noch der Umweltverschmutzung den Krieg erklärt, zunächst auch mit Erfolg: Eine Studie, die das Institut für Energiepolitik der University of Chicago im März 2018 veröffentlichte, kam zu dem Ergebnis, dass die Luftqualität sich in China zwischen 2013 und 2017 deutlich verbessert hat. Möglicherweise haben sich die Prioritäten jedoch nicht erst in diesem Jahr verschoben. So kommt eine Analyse von Reuters im November vergangenen Jahres zu dem Ergebnis, dass in 79 chinesischen Städten die Feinstaubemissionen um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen waren.

Regierungsvertreter auf lokaler Ebene stehen häufig vor einer schwierigen Entscheidung. Egal wie sie Umweltfragen angehen, droht ihnen Kritik. Dieses Dilemma wurde erneut deutlich, als Umweltminister Li Ganjie bei einer Pressekonferenz am 12. März ankündigte: “Wir werden uns gegen ein Einheitsvorgehen beim Umweltschutz stemmen (…) und wir werden uns auch resolut gegen eine Lockerung von Umweltregularien wenden.“

Umweltprobleme haben in China immer wieder zu größeren Protesten geführt, zuletzt im Februar in der Provinz Sichuan. Nach zwei Erdbeben, bei denen zwei Menschen ums Leben kamen und viele ihr Zuhause verloren, versammelten sich mehrere Tausend Menschen im Kreis Rongxian. Sie verlangten ein Ende des Frackings in der Region. Dieses hatte aus ihrer Sicht die Erdbeben verursacht.

Kurz gemeldet

  • Süd-Nord-Wasserumleitung: Delegierter der Politischen Konsultativkonferenz warnt, dass Wasserversorgung Beijings nicht garantiert werden kann
  • Chengdu: Verschimmeltes Schulessen sorgt für Elternproteste und Entlassung des Direktors
  • Taiwan: Chinesischer Austauschstudent erbittet politisches Asyl nach Kritik an Chinas politischem System

Wirtschaft, Finanzen und Technologie

Studie verstärkt Zweifel an chinesischen Wirtschaftsdaten

Eine aktuelle Studie kommt zu dem Ergebnis, dass China zwischen 2008 und 2016 sein BIP jedes Jahr um 1,7 Prozent zu hoch angegeben hat. Diese Verzerrungen könnten zusammengenommen dazu geführt haben, dass die Größe der chinesischen Volkswirtschaft aktuell um 20 Prozent größer dargestellt wird, als sie tatsächlich ist. Vier Wissenschaftler von der Chinese University of Hongkong sowie der University of Chicago haben am 7. März eine entsprechende Studie veröffentlicht.

Offiziellen chinesischen Zahlen zufolge erreichte die Gesamtgröße der chinesischen Volkswirtschaft im vergangenen Jahr 13,4 Billionen USD, dies entspricht rund 65 Prozent der US-amerikanischen Volkswirtschaft. Die Autoren der Studie gehen jedoch davon aus, dass die aktuelle Größe nur etwa der Hälfte der US-Wirtschaft entspricht.

Eine Schwierigkeit bei der Erhebung von Wirtschaftsstatistiken in China ist die geringe Verlässlichkeit regionaler Daten. Weil Regierungsvertreter auf lokaler Ebene um Beförderungen und Investitionen konkurrieren, geben sie die Wachstumszahlen für ihre Region häufig höher an, als sie tatsächlich sind. Die Zentralregierung hat dieses Problem erkannt. Yin Zhongqing, der stellvertretende Vorsitzende der Finanz- und Wirtschaftskommission des Nationalen Volkskongresses, räumte am 10. März ein, dass „in den vergangenen Jahren die Summe der regionalen BIP größer ausfiel als die nationalen Berechnungen“. Gleichzeitig kündigte Yin an, dass das Staatliche Statistikamt künftig die Erhebung der regionalen Entwicklungsdaten übernehmen wird. Ein Ranking der regionalen BIPs solle zudem ausgesetzt werden.

Michael Pettis, Wirtschaftsprofessor an der Beijing Universität, hatte im Januar gesagt, dass Wachstumsziele das eigentliche Problem darstellen. Es führe zur Messung eines schuldenfinanzierten politischen Ziels und nicht zu einem gesunden wirtschaftlichen Entwicklungswachstum. Bei der Sitzung des Nationalen Volkskongresses hatte Ministerpräsident Li Keqiang Anfang März das Wachstumsziel für 2019 auf 6 bis 6,5 Prozent abgesenkt.

Gelockerte Geldpolitik lässt chinesische Börsen auf Rekordhoch steigen

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Die gelockerte Geldpolitik der chinesischen Zentralbank und hohe Kapitalzuflüsse aus dem Ausland haben die chinesischen Börsen auf ein Zehnmonatshoch steigen lassen. Der SSE-Index der Shanghaier Börse schoss am Montag auf den höchsten Stand seit Juni 2018. Größte Gewinner waren die Aktien von kleineren Firmen: Der Index für die 380 größten Unternehmen schloss mit einem Anstieg von 32 Prozent seit Jahresbeginn besser ab als der für die 50 größten (24 Prozent).

Der Aufwind an den Börsen speist sich vor allem aus der gelockerten Geldpolitik der Zentralbank PBOC. Diese hatte in den vergangenen Monaten verschiedene Auflagen für Kapitalrücklagen gelockert, um Liquidität freizusetzen und die Wirtschaft anzukurbeln. In der Folge stieg die Banken-Kreditvergabe im Januar auf den Rekordwert von drei Billionen CNY (rund 395 Milliarden EUR) an. Ein großer Teil dieses Geldes floss in die Börsen.

Nach der Ankündigung des New Yorker Finanzdienstleisters MSCI, den Anteil chinesischer A-Aktien in seinem Index für Schwellenmärkte zu vervierfachen, strömte eine große Menge ausländischen Kapitals in die chinesischen Märkte. Chinesische Aktien waren erstmals im vergangenen Sommer in den Index aufgenommen worden. Ihr Anteil wird erst gegen Ende des Jahres erhöht werden, doch allein die Ankündigung wurde als Signal für die wachsende Bedeutung der chinesischen Wirtschaft und ihrer Finanzmärkte im internationalen Finanzsystem gewertet. Kritiker verwiesen darauf, China habe Druck auf den Finanzdienstleister ausgeübt, den Anteil chinesischer Aktien im Index zu erhöhen. Das Unternehmen wies dies zurück

Kurz gemeldet

  • Alternde Gesellschaft: Chinesisches Finanzministerium überträgt Anteile im Wert von 4,7 Milliarden USD an staatlichen Pensionsfonds.
  • Handelskrieg: China und die USA drängen auf Treffen von Trump und Xi Ende April.
  • Kehrtwende: China könnte schon bald erstes Leistungsbilanzdefizit seit 1993 einfahren.
  • Wechselkurs: Ehemaliger Zentralbankchef fürchtet, dass China könnte Japan in verlorenes Jahrzehnt folgen.
  • Preisverfall: Mercedes und BMW senken in China angesichts schwacher Nachfrage und niedrigerer Umsatzsteuer die Preise.

Im Profil

Italiens Mr. China: Michele Geraci

Er gilt als die treibende Kraft hinter der Annäherung an Beijing. Der Ökonom aus Palermo Michele Geraci ist der Einflüsterer von Italiens Vizepremier Luigi Di Maio. Der 52jährige Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaftliche Entwicklung ist zuständig für Internationalen Handel und ausländische Direktinvestitionen. Vor seinem Wechsel in die Politik im vergangenen Sommer ist Geraci viel herumgekommen. So war er u.a. als Investmentbanker in New York und London tätig, bevor er zehn Jahre lang an Universitäten in Ningbo, Hangzhou und Shanghai Finanzpolitik lehrte. Regelmäßig schrieb er Kolumnen für das chinesische Wirtschaftsmagazin Caixin.

Der Wirtschaftswissenschaftler steht der rechtsnationalistischen Lega von Innenminister Matteo Salvini nahe. Beobachter beschreiben Geraci als einen Besessenen, der alles dafür tun würde, um den Chinesen zu gefallen. In einem kontroversen Blogpost hatte er im vergangenen Jahr China als ein Modell für Italien bezeichnet und insbesondere Beijings Vorgehen im Bereich der öffentlichen Sicherheit und den Umgang mit Migration gelobt. Seine pro-chinesische Sichtweise ist unter vielen italienischen Wissenschaftlern hoch umstritten. Sie hatten einen offenen Brief als Antwort formuliert und darin auf die weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen in China verwiesen.

Geraci war es, der sich dafür stark gemacht hat, dass Italien als erstes G7-Land während Xis Besuch das Memorandum of Understanding für eine Beteiligung an der Belt and Road Initiative unterschreibt, an dem Beijing so viel liegt. Einwände aus den USA wischte er zur Seite: „Ich kenne China sehr gut, und wir sind besser in der Lage als andere, mögliche Risiken zu erkennen.“ Geraci geht es vor allem darum, italienischen Produkten einen besseren Zugang zum chinesischen Markt zu verschaffen und umgekehrt Investitionen für den Ausbau der Infrastruktur in Italien einzuwerben. Der Staatssekretär ist u.a. der Ansicht, dass die Häfen von Triest, Genua und Palermo für chinesische Investoren interessant sein könnten.

Geracis Chef, der 20 Jahre jüngere Wirtschaftsminister Di Maio, verlässt sich offensichtlich blind auf Geracis Expertise. Er hat jedoch bereits eigene Erfahrungen mit China gemacht: Als Di Maio vor einigen Monaten zur Vorbereitung des Staatsbesuchs von Xi Jinping nach Beijing reiste, sorgte er für Spott, weil er den chinesischen Partei- und Staatschef einfach nur Herrn „Ping“ genannt hatte.