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Datenexportregeln + Chinas Schweigen zu Hamas-Angriffen + EU-Risikobewertung zu kritischen Technologien

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China könnte Regeln für Datenexport von Firmen lockern

Womöglich als Reaktion auf anhaltende Kritik an Chinas von Sicherheitserwägungen getriebener Datenpolitik hat die mächtige Cyberverwaltung (CAC) einen Entwurf veröffentlicht, der die Regeln für den Datenexport von Firmen deutlich lockern würde. Wirtschaftsvertreter beklagen seit längerem, dass Beijing die nationale Sicherheit und Kontrolle durch den Parteistaat über Innovation und wirtschaftliche Effizienz stellt.

Sollte der Entwurf vom 28. September umgesetzt werden, müssten Unternehmen für den Datenexport in einigen Bereichen keine Genehmigung mehr einholen, darunter internationaler Handel, akademische Zusammenarbeit, länderübergreifende Produktion und Marketing. Zudem soll die Ausfuhr potenziell zur Kategorie „wichtige Daten“ gehörender Informationen einfacher werden: Unternehmen müssten eine komplizierte CAC-Sicherheitsprüfung nur noch durchlaufen, wenn die Aufsichtsbehörden die Daten ausdrücklich als „wichtig" eingestuft haben. 

Auch die Übermittlung personenbezogener Daten soll einfacher werden, etwa Informationen über Mitarbeiter. Der freie Fluss von Personaldaten ist für multinationale Unternehmen von zentraler Bedeutung. Viele mussten den Personalbereich in China von ihren globalen Aktivitäten abkoppeln, um die chinesischen Lokalisierungsvorschriften einzuhalten.

Die CAC macht ihren – angeblich von Ministerpräsident Li Qiang unterstützten – Entwurf in einer Zeit wirtschaftlichen Abschwungs bekannt. Der Staatsrat hatte bereits im August in Leitlinien zur Wiederherstellung des Vertrauens ausländischer Investoren eine „grüne Liste“ für Erleichterungen beim Export nicht-sensibler Daten in Aussicht gestellt. Ausländische und chinesische Unternehmen hatten beklagt, dass die derzeitige Regelung nicht praktikabel sei, weil die Definition von „wichtigen Daten" vage und die Vorschrift der lokalen Speicherung in China pauschal formuliert sei. 

Die CAC hatte ihren Prüfmechanismus für Datenexporte im vergangenen Jahr finalisiert. Öffentlich zugängliche Informationen deuten darauf hin, dass bisher kaum ein Antrag genehmigt wurde.

Chinas Führung betrachtet Daten als wirtschaftlichen Produktionsfaktor und strategische nationale Ressource. Dementsprechend ist sie darauf bedacht, einen effizienteren Datenmarkt zu schaffen. Xi Jinpings Bestreben, die Realwirtschaft durch digitale Technologien anzukurbeln, kollidiert jedoch mit seinem Primat der Sicherheit. Tatsächlich könnte der CAC-Entwurf ein Versuch der Annäherung an die Privatunternehmen sein. Die Regulierungsbehörden suchen zugleich weiter nach Wegen, die parteistaatliche Kontrolle in der Digital-Wirtschaft effektiv umzusetzen.

MERICS-Analyse: „In diesem Jahr wurde bereits eine neue Behörde zur Förderung von Datenaustausch und Innovation eingerichtet, die CAC verzichtete zudem auf exzessive Regulierung von Entwicklern generativer KI – und jetzt dieser Entwurf für einfacheren Datenexport," bemerkt Rebecca Arcesati, Lead Analyst bei MERICS. „Trotz dieser Zugeständnisse besteht das Spannungsverhältnis zwischen Sicherheit und Öffnung in Chinas Digitalpolitik fort, es bleibt ein Widerspruch zwischen Wachstumszielen und nationaler Sicherheit in Chinas Wirtschaftspolitik. Aber wir sehen: Beijing ist kein Monolith – und es muss sich mit diesen konkurrierenden Zielen auseinandersetzen."

Medienberichte und Quellen:

METRIX

1,5%

Dies ist der geringe Prozentsatz, um den Chinas Tourismusausgaben während der „Goldenen Woche" 2023 die Ausgaben im Vergleichszeitraum vor der Pandemie 2019 übertrafen. Das Wachstum von 2018 auf 2019 hatte 8,5 Prozent betragen. Die erste Oktoberwoche ist ein nationaler Feiertag und die Konsumausgaben in dieser Ferienzeit ein wichtiger Indikator für deren Gesamtentwicklung. Das geringe Wachstum in diesem Jahr deutet darauf hin, dass die Konsumenten angesichts schwachen Wirtschaftswachstums, stagnierender Immobilienpreise und anhaltend hoher Jugendarbeitslosigkeit vorsichtig bleiben.

Themen

Beijing verzichtet auf Verurteilung der Hamas im Bemühen um Vermittlerrolle

Die Fakten: Nach dem brutalen Angriff von militanten Hamas-Kämpfern auf Israel, bei dem hunderte Zivilisten starben, hat China auf eine klare Positionierung verzichtet. Während Regierungen in Asien, Europa und Amerika das Vorgehen der radikalen Palästinenserorganisation scharf verurteilten, rief Beijing zu einem „sofortigen Waffenstillstand“ auf und bezeichnete erneut eine Zweistaatenlösung als den einzigen „nachhaltigen Weg zum Frieden“. Sowohl Israel als auch die USA forderten China auf, die Hamas „deutlicher zu verurteilen“.

Der Blick nach vorn: Chinas Regierung bewahrt sich die Option, mit der Hamas zu interagieren und eine Vermittlerrolle in einer Region einzunehmen, in der es sich im Wettbewerb mit den USA sieht. Sie sieht sich als Verfechterin einer anti-imperialistischen Tradition, unterhält seit langem enge Verbindungen mit den Palästinensern und unterstützt die Errichtung eines Palästinenserstaats. Zugleich will sich China Optionen offenhalten. Die Vermittlung einer Annäherung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien im Frühjahr stärkte den Einfluss Beijings in der Region, die seit langem im Fokus der US-Außenpolitik steht. Das Ziel, als Friedensstifter im Nahen Osten wahrgenommen zu werden, könnte jedoch durch die von den USA angeführten Bemühungen um eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien beeinträchtigt werden.

MERICS Analyse: „Trotz wachsendem Interesse an der Region dürfte Chinas Schweigen zu den Angriffen der Hamas die eigenen Möglichkeiten torpedieren, einen Frieden zu vermitteln“, sagt MERICS-Analyst Claus Soong. „Seine ambivalente Haltung könnte in wachsendem Druck seitens anderer Länder resultieren. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell wird in Kürze Beijing besuchen – es wird interessant sein zu sehen, ob seine Reise China dazu veranlassen wird, eine klare Haltung einzunehmen.“

Medienberichte und Quellen:

EU-Risikobewertung zu kritischen Technologien: Kritik von China zu erwarten

Die Fakten: Die EU-Kommission will mit den Mitgliedstaaten technologische Risikobewertungen vornehmen, um die wirtschaftliche Sicherheit der EU zu erhöhen. Sie kündigte im Oktober eine Prüfung von vier „kritischen Bereichen" im Rahmen der Agenda für wirtschaftliche Sicherheit an. Dazu gehören fortschrittliche Halbleiter, Künstliche Intelligenz, Quanten- und Biotechnologie. Die Strategie umfasst auch Prüfungen von Lieferketten, physischer und digitaler Sicherheit kritischer Infrastrukturen, Technologiesicherheit, Risiken von Datenlecks sowie dem potenziellen Einsatz wirtschaftlicher Abhängigkeiten als Druckmittel. In die Risikobewertungen sollen alle 27 Mitgliedstaaten eingebunden sein. Unklar ist, wie die Empfehlungen für den Umgang mit den festgestellten Risiken aussehen könnten. 

Der Blick nach vorn: Die Kommission hat angedeutet, den Geltungsbereich von Ausfuhrbeschränkungen zu erweitern. Der Prüfung der Risiken, dass Technologien militärisch genutzt werden oder zur Verletzung von Menschenrechten beitragen, fügte sie eine dritte Kategorie hinzu: den "transformativen Charakter der Technologie". Daraus folgende erweiterte Beschränkungen dürften europäische und chinesische Unternehmen verunsichern. Vonseiten Chinas sind scharfe Kritik und womöglich Vergeltungsmaßnahmen zu erwarten, wenn etwa Zugänge zu europäischen Märkten erschwert würden. Nachdem die Niederlande Anfang 2023 Ausfuhrkontrollen für Maschinen für die Halbleiter-Lithographie eingeführt hatten, verhängte China Ausfuhrkontrollen für die für die Chip-Herstellung wichtigen Rohstoffe Gallium und Germanium.

MERICS Analyse: „Multinationale Unternehmen haben bereits jetzt Schwierigkeiten, sich in dem Flickenteppich zurechtzufinden: Beijing drängt auf Lokalisierung und wirtschaftliche Autonomie, und die USA wollen Chinas technologische Entwicklung einhegen", sagt Jacob Gunter, Lead Analyst bei MERICS. „Europa muss eine proaktivere Haltung einnehmen. Aber sie riskiert, durch ihre eigene Strategie und das entsprechende Instrumentarium die Situation für global agierende Unternehmen noch komplizierter zu machen."

Medienberichte und Quellen:

Xis „Gedanken zur Kultur“ verstärken Sorge vor noch umfassenderer Kontrolle

Die Fakten: Auf einer Propagandakonferenz hat Xi Jinping jüngst seine politische Doktrin um „Gedanken zur Kultur“ erweitert. Seine Äußerungen – die ein ranghoher Beamter als „mächtige ideologische Waffe“ bezeichnete – können als Versuch gewertet werden, die Parameter der Kultur in China neu zu definieren. In den Konferenzunterlagen heißt es, die Verbreitung von Propaganda, die Aufrechterhaltung bestimmter ideologischer Überzeugungen und die Förderung einer bestimmten Kultur seien von entscheidender Bedeutung für die Zukunft der Kommunistischen Partei Chinas (KPC).

Der Blick nach vorn: Zuletzt haben geplante Gesetzesänderungen, die auf ein Vereinheitlichen des chinesischen Kulturbegriffs zielten, in der Bevölkerung für Unmut gesorgt. Die Regierung will Polizeibehörden erlauben, zum Beispiel Äußerungen oder Kleidung zu bestrafen, die „die Gefühle des chinesischen Volkes verletzen“. Der aktuelle öffentliche Aufschrei könnte die Regierung jedoch zum Umdenken bewegen. Chinas oberstes Gesetzgebungsorgan, der Nationale Volkskongress (NVK), hatte die Öffentlichkeit aufgefordert, den Gesetzentwurf bis Ende September zu kommentieren. Es wird interessant sein zu sehen, ob der NVK die Angelegenheit nun vorantreibt oder ob er den umstrittenen Paragraphen auf seiner nächsten regulären Sitzung Ende Oktober stillschweigend auf Eis legt.

MERICS-Analyse: „Die KPC setzt immer mehr auf eine einheitliche Ideologie, um den sozialen Zusammenhalt zu sichern“, sagt Alexander Davey, Analyst bei MERICS. „Doch allzu offensichtliche Bemühungen, die Kontrolle über einzelne Bürger zu verschärfen, könnte am Ende ihre autoritäre Macht schwächen, zumal die Partei nicht mehr dieselben materiellen Verbesserungen der Lebensumstände garantieren kann wie früher.“

Medienberichte und Quellen:

MERICS China Digest

Südkoreas Firmen dürfen weiter US-Chipausrüstung nach China liefern (Reuters)

Samsung Electronics und SK Hynix dürfen ihre Fabriken in China auch in Zukunft mit US-Chipausrüstung beliefern. Das hat Washington den Unternehmen zufolge genehmigt. (09.10.2023)

Huawei geht in Spanien gegen Regelung zu Ausschluss von Staatshilfen für 5G-Ausbau vor (SCMP)

Chinas Telekom-Riese Huawei bezeichnet die Pläne Madrids, “Hochrisiko”-Anbieter von 5G-Ausrüstung von staatlichen Förderungen auszuschließen, als gesetzeswidrig. (10.10.2023)

Erstes in Taiwan gebautes U-Boot vorgestellt (CNN) 

Präsidentin Tsai Ing-wen nannte das erste in Taiwan produzierte U-Boot einen bedeutsamen Schritt. Taiwan ist um militärische Abschreckung gegenüber Beijing bemüht. (28.09.2023)

China ernennt neuen Parteisekretär für Wissenschaftsministerium (SCMP)

Yin Hejun wird Wang Zhigang ablösen, der seinen Posten als Minister weiter ausübt. Der Parteisekretär hat in allerdings mehr Macht als der Minister. (09.10.2023)

China führt landesweite Umfrage zur Bevölkerungsentwicklung durch, während die Geburtenrate sinkt (Guardian)

Chinas Nationales Amt für Statistik wird im November landesweite Stichproben erheben, um die Bevölkerungspolitik besser zu planen. (23/10/10)

China in UN-Menschenrechtsrat gewählt - Russlands Bewerbung abgelehnt (SCMP)

Die UN-Generalversammlung hat China am Dienstag in einer Abstimmung ohne Gegenkandidaten in den Menschenrechtsrat gewählt und Russland nach dessen Invasion in der Ukraine 2022 einen Sitz verweigert. (23/10/11)

China lässt australische Journalistin frei (Tagesschau)

Die chinesisch-stämmige australische Journalistin Cheng Lei arbeitete als Wirtschaftsreporterin für Chinas staatlichen englischsprachigen Fernsehsender CGTN, als sie im August 2020 festgenommen wurde. Ihr wurde vorgeworfen, Staatsgeheimnisse ans Ausland weitergegeben zu haben. (11.10.2023)