Politburo Standing Committee
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Der neue Ständige Ausschuss des Politbüros

Wir haben die Mitglieder im neuen Ständigen Ausschuss des Politbüros portraitiert, die auf dem 20. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas im Oktober vorgestellt wurden. Xi Jinping ist es gelungen, das Gremium vollständig mit Loyalisten zu besetzen, die sein politisches Programm in den kommenden fünf Jahren unterstützen werden.

Li Qiang: Fehler bei Corona-Management haben seine Aufstiegschancen nicht behindert

Die politische Laufbahn von Li Qiang, bis vor kurzem Parteisekretär von Shanghai, hat einen neuen Höhepunkt erreicht - trotz seiner Schwierigkeiten, die Corona-Welle in Shanghai vergangenen Sommer in den Griff zu bekommen. Li gilt als einer der engsten Verbündeten von Xi Jinping und ist nun in den Ständigen Ausschuss des Politbüros aufgestiegen. Er wird zudem der nächste Ministerpräsident Chinas. Er gilt als geschäftsfreundlicher, zupackender Manager, wird sich aber jetzt, da er im Ständigen Ausschuss des Politbüros sitzt, viel stärker an den zentralen Parteizielen orientieren müssen, d. h. den Prioritäten von Xi Jinping.

Li stammt aus Zhejiang und fungierte von 2004 bis 2007 als Stabschef von Xi Jinping, der damals Parteichef der Provinz war. 2015 begleitete er Xi zu dessen ersten Staatsbesuch in die Vereinigten Staaten

Li begann seine berufliche Laufbahn als Arbeiter, zunächst in der Entwässerung und Bewässerung und dann in einer Werkzeugfabrik. 1983 trat er in die Kommunistische Partei Chinas (KPC) ein und arbeitete in der Abteilung für zivile Angelegenheiten der Provinzregierung von Zhejiang, wo er leitende Positionen übernahm. Der Posten des Parteisekretärs von Shanghai, in den Li 2017 befördert wurde, gilt seit jeher als Sprungbrett in die obersten Führungsgremien der KPC. Mit einer Ausnahme wurden sämtliche Parteisekretäre Shanghais der vergangenen 25 Jahre in den mächtigen Ständigen Ausschuss des Politbüros berufen.

Medienberichte und Quellen:

 

Zhao Leji – Der neue Parteimann für Chinas Gesetzgeber

Zwar zählt Zhao Leji nicht zum engsten Kreis von Xi Jinping, er gilt aber als dessen Unterstützer. Zhao folgte nach dem 19. Parteitag Wang Qishan nach und leitete die oberste Korruptionsbehörde Chinas, die Zentrale Disziplinarkommission (CCDI). In dieser Funktion setzte Zhao Xis Kampagnen gegen den früheren Justizminister Fu Zhenghua und andere hochrangige Funktionäre um, darunter Xiao Yaqing, Sheng Guangzu und Sun Lijun. Unter Zhao wurde die CCDI zu der großen und mächtigen Behörde, die sie heute ist und mehr als vier Millionen Verfahren wurden wegen Korruption, aber auch wegen Verstößen gegen die Disziplin oder ethischem Fehlverhalten eingeleitet.

Wie alle weiteren Mitglieder im aktuellen Ständigen Ausschuss wurde auch Zhao während der Kulturrevolution aufs Land verschickt, in seinem Fall in die Provinz Qinghai. Nach Abschluss seines Bachelor-Studiums an der prestigeträchtigen Peking Universität war er in den von Armut geprägten westchinesischen Provinzen Qinghai und Shaanxi tätig und arbeitete sich schließlich zum Parteisekretär von Shaanxi hoch. Von dort aus wurde er nach Beijing berufen.

Zhao wird dem Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongress (NVK), Chinas oberstem Gesetzgebungsorgan, vorstehen. In dieser Position wird ihm eine wichtige Rolle zukommen, wenn es darum geht, das von Xi verfolgte Prinzip „Herrschaft durch Recht” („rule by law“) umzusetzen, die Gesetzgebung zu überarbeiten und zu überholen und sicherzustellen, dass er den Vorstellungen der Parteiführung entspricht.

Wang Huning – der Chefideologe der Partei

Dass Wang Huning nach dem 20. Parteitag weiter dem Ständigen Ausschuss des Politbüros angehört, war nicht überraschend. Der führende Ideologe der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) gilt als Kopf hinter Xi Jinpings autokratischem und ideologischem Kurs. Seit 2017 ist er Mitglied im mächtigen Ständigen Ausschuss des Politbüros. Er diente bereits Xis Vorgängern: Jiang Zemin berief Wang in das oberste politische Forschungszentrum der KPC, und Hu Jintao machte ihn zu dessen Leiter.

Der oft als belesener Philosoph beschriebene Wang hat als einziges Mitglied des Ständigen Ausschusses keine praktische Erfahrung mit der Leitung einer Stadt oder Provinz als Bürgermeister oder Parteisekretär. Doch der Einfluss des ehemaligen Professors der Fudan-Universität auf Xi und die KPC ist bemerkenswert. Wang leitet zwei wichtige Zentrale Führungsgruppen für den Aufbau der Partei und Ideologie. Regelmäßig begleitet er Xi auf Reisen.

Mehrere zentrale ideologische Konzepte, darunter der „China Traum“ und die „Xi Jinping-Gedanken zum Sozialismus chinesischer Prägung“ sollen aus Wangs Feder stammen. Im Zusammenhang mit der im November 2021 verabschiedeten „Historischen Resolution“ der KPC, die Xi eine Schlüsselrolle bei der Rückkehr zur einstigen Größe der chinesischen Nation zuweist, betonte Wang die traditionellen Werte und die Kultur als entscheidend für die politische und soziale Entwicklung Chinas. Bereits in den 1990er Jahren argumentierte Wang, dass das kapitalistische System der USA Schwächen aufweise und ein neo-autoritäres Modell mit einer starken Parteiführung diesem überlegen sei.

Weil Wang eine Schlüsselfigur für die Gestaltung des politischen Denkens in der Partei und im ganzen Land, wird er auch in den kommenden fünf Jahren zum engsten Machtzirkel um Xi gehören. Künftig soll Wang die Politische Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes leiten, ein Organ, in dem relevante und nicht der KPC angehörende Gruppierungen, darunter zum Beispiel Minderheiten oder Privatunternehmer, ihre Meinung einbringen können – unter der Führung der Partei, versteht sich.

Cai Qi – Beijings ex-Boss übernimmt Propaganda und Parteiangelegenheiten

Unter den neu ernannten Mitgliedern des Ständigen Ausschusses des Politbüros gilt Cai Qi als eine Überraschung, weshalb seine Beförderung besonders viel Aufmerksamkeit erhielt. In der Vergangenheit war Cai der Sekretär des ehemaligen Parteisekretärs der Provinz Fujian, Chen Guangyi. Seine politische Laufbahn absolvierte er neben Fujian auch in Zhejiang – in beiden Provinzen war einst auch Xi Jinping tätig gewesen. Nach dem 18. Parteitag 2012 wurde Cai von seinem Posten als Vizegouverneur von Zhejiang zum stellvertretenden Direktor der Zentralen Kommission für Nationale Sicherheit beim Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) in Beijing befördert. 

Ab 2016 war Cai Bürgermeister und zugleich Parteisekretär der Hauptstadt. In dieser Zeit leitete er mehrere umstrittene Projekte, darunter die Vertreibung von ärmeren Stadtbewohnern und Arbeitsmigranten aus der Stadt, aber auch die Entfernung von Werbetafeln auf den Dächern von Gebäuden. Die für seine Karriere wohl wichtigsten Meilensteine standen im Zusammenhang mit Xis persönlichem Lieblingsprojekt, der Entwicklung der Retortenstadt Xiong'an zur Entlastung Beijings von „unwesentlichen Aufgaben", und der unter strengen Covid-Maßnahmen ausgerichteten Olympischen Winterspiele 2022.
Cai war einer der ersten hochrangigen Funktionäre, die den Ausdruck „Wichtiges Gedankengut des Generalsekretärs Xi Jinping" ( 习近平总书记重要思想 ) verwendeten und er war der erste, der Xi als „den Führer des Volkes" (人民领袖) bezeichnete. 

Nun wird Cai Leiter des Generalsekretariats des Zentralkomitees der KPC und für die tägliche Arbeit des zentralen Parteiapparats verantwortlich sein. Experten gehen davon aus, dass Cai künftig auch für Propagandaarbeit zuständig sein wird.

Ding Xuexiang: Vertrauter von Xi hat es ins Politbüro geschafft

Als Direktor des Büros des Generalsekretärs der KPC, so etwas wie ein Stabschef, folgte Ding Xuexiang jeder Anweisung von Xi Jinping. Er gilt als einer von Xis loyalsten und verlässlichsten Vertrauten und hat sich nun einen Platz im siebenköpfigen Ständigen Ausschuss des Politbüros der Kommunistischen Partei Chinas erarbeitet. Ding wird voraussichtlich auf dem Nationalen Volkskongress im März 2023 zum ersten Vizepremier ernannt werden. Er wurde im September 60 Jahre alt und ist jung genug, um zwei fünfjährige Amtszeiten im mächtigsten Gremium der KPC zu absolvieren. Die Ernennung Dings stärkt Xis Einfluss auf die Parteispitze, und stellt sicher, dass seine Agenda auch im nächsten Jahrzehnt umgesetzt wird. 

Im Gegensatz zu anderen Spitzenkadern hat er noch nie eine Gemeinde oder Provinz geleitet. Nachdem er 1984 in die KPC eingetreten war, bestand seine politische Karriere vor allem darin, sich in den Reihen der Partei hochzuarbeiten. Sein Verständnis für die inneren Abläufe der KPC hat ihm das Vertrauen des mächtigsten Mannes Chinas eingebracht – auch sein zurückhaltender Pragmatismus und seine harte Arbeit dürften geholfen haben. Als überzeugter Loyalist verbreitet Ding eifrig Xis Ideen und betont, Xi Jinpings Gedankengut werde China in ein „neues Zeitalter“ führen. 

Der aus der Provinz Jiangsu stammende Ding begann seine Karriere als Forscher am Shanghaier Institut für Materialforschung, bevor er in der Metropole in Parteifunktionen im Bereich Propaganda, Organisation und Sicherheit wechselte. Ding arbeitete für Xi, nachdem dieser Parteisekretär der Stadt geworden war. Seither ist seine Karriere eng mit der von Xi verbunden. Nachdem Xi 2012 die Macht übernommen hatte, wurde Ding sein persönlicher Sekretär und begleitete ihn zu wichtigen nationalen und internationalen Treffen. Ding ist auch Mitglied der Nationalen Sicherheitskommission, die Chinas Sicherheitsapparat kontrolliert, und in der Xi den Vorsitz führt.  
 

Li Xi: Chinas neue Kraft zur Bekämpfung der Bestechung

Li Xi, Parteisekretär von Guangdong und Mitglied des Politbüros des 19. Zentralkomitees, stammt aus Liangdang in der Provinz Gansu. Seinen 66. Geburtstag feierte Li am ersten Tag des 20. Parteitags der KPC. Jetzt hat er einen weiteren Grund zum Feiern, denn er wurde während des 20. Parteitags in den Ständigen Ausschuss des Politbüros berufen. Kurz darauf wurde er zum neuen Sekretär der Zentralen Kommission für Disziplinarangelegenheiten ernannt, Chinas mächtiger Einheit, die für die Bekämpfung von Korruption und die Überwachung der Disziplin der Kader zuständig ist. Damit ist er eine Schlüsselfigur, die dafür sorgt, dass Xis Anti-Korruptionskurs nicht ins Stocken gerät und dass die Einhaltung der Parteirichtlinien und der Ideologie ernst genommen wird. 

Li wurde persönlicher Assistent des damaligen Parteisekretärs von Gansu, Li Ziqi, einem engen Vertrauten von Xi Jinpings Vater Xi Zhongxun. Danach arbeitete Li in Organisationsabteilungen in der Provinz und stieg schließlich zum Parteisekretär auf. 

In den darauffolgenden sieben Jahren war Li in der Provinz Shaanxi tätig und absolvierte einen MBA an der Tsinghua Universität. Er arbeitete damals für Zhao Leji, Politbüromitglied und ebenfalls Vertrauter von Xi. Später wurde Li stellvertretender Parteisekretär von Shanghai.

Es folgten eine Beförderung zum stellvertretenden Generalsekretär und schließlich zum Generalsekretär der Provinz Liaoning, einem Zentrum der Schwerindustrie. Als Anerkennung für seine Verdienste wurde Li auf dem 19. Parteitag ins Politbüro gewählt, nachdem er zuvor stellvertretendes Mitglied gewesen war. Zuletzt löste Li Hu Chunhua als Parteisekretär der Provinz Guangdong und damit einer der wirtschaftlich stärksten Regionen Chinas ab.

Medienberichte und Quellen: